Mittwoch, 22. April 2015

Kapitel 115 - ich werde zum Menschenfreund

Ein Menschenfeind zu sein ist heutzutage ja ein Klacks. Das bestätigt mir auch jede Woche mein Lieblingskolumnist Harald Martenstein (man lese hier beispielsweise die Kolumne vom 17.04.15 über die Berliner).

Diese rücksichtslosen Benzinschleuder-Fahrer! Diese Feierabend-Rasenmäher! Diese scheinheiligen Frömmler! Diese Helikopter-Eltern! Diese Kassen-Vordrängler! Diese Badeliegen-Reservierer!

Die Liste ist endlos und jeder hat die eine oder andere (und meist noch ein halbes Dutzend mehr) eigene Geschichte erlebt, genau so viele gehört und kann damit gar nicht anders, als selbst zu einem erklärten Menschenfeind zu werden. 'Mit denen will ich nix zu tun haben!' - ich bleib' zu Hause und lese Timon von Athen.

Aber es geht auch anders. Zum Glück!

Ich war nämlich am Montag in der großen Stadt, um die Mittagspause mit meiner Freundin hier zu verbringen. Bei Kaffee und Wolle.

Natürlich habe ich die Gelegenheit ergriffen, um mein neues fertig gestelltes Tuch, nämlich einen weiteren Drachenfels, auszuführen:


Und natürlich war mir ziemlich bald viel zu warm, sodass ich das Tuch abnehmen und in die Tasche stopfen musste. Aber der kleine Stolz war's wert.

Auf dem Weg nach Hause saß ich dann gemütlich im öffentlichen Nahverkehr, Musik in den Ohren und mein neues Projekt auf der Nadel:

Das wird eine Babydecke für eine liebe Freundin.
Schneeflocken im Sommer, ein Riesenspaß.

Leider war ich viel zu schnell am Zielort. Eine der berühmten Umlandgemeinden um die süddeutsche Hauptstadt herum. Ein eher langweiliges Fleckchen mit eher uninteressanten Mitbewohnern.

Dann bin ich so schnell wie möglich vom Bahnhof heimgeradelt. Der arme Mann ganz allein mit den Damen, ich muss ihn so schnell wie möglich ablösen. Das Übliche eben, wenn man sich mal eine kleine Auszeit gönnt.

Daheim angekommen, Kinder übernommen und weiter wie gewohnt. Am Dienstag Arbeit und abends den Einkauf aus dem Garnladen bestaunt: herrlichstes Tosh DK aus Peru und Texas.

Und plötzlich hatte ich so ein Bedürfnis, mein Drachenfels-Tuch nochmal zu bestaunen. Einfach anzufühlen und sich darüber wundern, dass ich in so kurzer Zeit zwei Riesenschals in kraus rechts überlebt habe.

Nur: es war nicht auf dem Sessel, auf dem ich es abgelegt hatte. Auch nicht in der Tasche. Oder in der Garderobe. Wo ist es nur?

Schlafzimmer - Treppe - Küche - schnell abgelegt in der Nähe der Waschmaschine? Überall Fehlanzeige.

Das gibt es doch nicht! Wieder und wieder versuche ich die letzten Minuten in der S-Bahn zu rekapitulieren. Ja, die Tasche war voll. Die Garntüte, die Projekttasche, ein paar Strickhefte, der Geldbeutel und das hineingestopfte Tuch. Aber hatte ich es wirklich nicht herausgenommen? Neben mich auf einen Sitz gelegt, beim Aussteigen vergessen? Nein, hatte ich nicht. Also so blöd bin nicht mal ich, auch wenn ich durchaus Tendenzen in diese Richtung zeige - davon später mehr.

Es ist und bleibt ein Mysterium. Mein schöner, schöner Schal ist weg. So ein Riesenschal verschwindet ja auch nicht einfach so, der müsste schon zu sehen sein, selbst wenn er im Chaos der Kinderzimmer untergetaucht wäre. Der ist ja sogar für die Borger zu groß.

Dann kommt der Mittwoch und mit ihm ein Schulfreund zum Mittagessen. Schnell von der Arbeit heimgeradelt und ein kinderfreundliches Mittagessen gekocht. Da stehe ich also in der Küche, die Arme handgelenktief in Kartoffelteig versenkt und herein kommt mein kleines Mädel mit einem viel zu großen Tuch! Mein Schal! Hurra!

Er war auf dem Schulweg der Kinder an einen Baum gebunden worden, damit ihn jemand, der ihn verloren hat, dort wiederfinden könnte. Was ja genau so auch geschehen ist!

Was für eine Wiedersehensfreude! Und was für ein Weltumarmungsgefühl für alle meine lieben Mitbewohner hier in der öden Vorstadt, die nicht einfach handgestrickte Herrlichkeiten mitnehmen oder womöglich entsorgen, sondern stattdessen daran denken, dass jemand sie vermissen könnte. Vielen, vielen Dank!

Jetzt ahne ich auch, wie alles zugegangen ist. Auf der Suche nach dem Radlschlüssel ist das Tuch neben die Tasche in den Fahrradkorb gewandert und von dort langsam über den Korbrand auf den Boden geplumpst. Man soll sich eben nicht übermäßig beeilen, wenn man von einem schönen Ausflug wieder heimkommt.

Mein Schal ist wieder da! Zum Streicheln und für den Fall, dass der Frühling doch wieder kühler wird.

Und jetzt schlag ich mit meinem hübschen Mittagspausen-Einkauf einen zweiten Golden Lair an. Weil mir der erste aus Versehen in die Waschmaschine gerumpelt ist und jetzt als Miniversion in die Verkleidungskiste der Kinder wandern musste. Dies hier ist nur ein hübsches Erinnerungsfoto:



Es gibt wirklich nichts, was mir nicht schon passiert wäre. Aber zum Glück hab ich ja liebe Mitmenschen!




Freitag, 3. April 2015

Kapitel 114 - es ostert!

Es gibt ja so Standardprozeduren für die Feiertage. An Weihnachten sind das die vorbereiteten Adventskalender, der gemeinsam geschmückte Weihnachtskranz und schließlich das große Baum-Behängen am Tag X.

Und an Ostern? Da gibt es ein bisschen Fensterschmuck, ein bisschen Eierbemalen und schließlich das Färben der gekochten Eier am Tag X.

Aber dieses Jahr hatte ich eine neue Idee. Und zwar schon zu Palmsonntag.

An Palmsonntag gibt es nämlich hier in der lokalen Kirchengemeinde (na, ich wohne doch im Süden, und das heißt natürlich katholisch, was sonst?) eine recht nette Palmprozession mit echten Palmbuschen, die dann jeweils auch geschmückt sind. Das hat in den letzten Jahren sogar ein wenig überhand genommen, mit flatterndem Krepp-Papier oder sogar - Gott bewahre - mit aufgerüschtem Geschenkpapierband. Nee, nee, so lieber nicht.

Stattdessen dachte ich mir, da müsste es doch auch etwas Einfaches und doch Österliches geben und als ich dann im Bastelladen (ja, wir haben noch einen) Styropor-Eier gesehen habe, da hatte ich die Idee! Pailletten-Eier.

Jetzt ist es natürlich so, dass das nicht meine eigene Idee ist, die gibt es natürlich schon längst, siehe zum Beispiel hier. Aber ich habe doch für mich den Sprung zum Osterei von diesem Weihnachtsgeschenk zu Hause:


für das es in der Schachtel daneben so aussieht:


im Laden ganz für mich alleine gemacht. Für Kinder, dachte ich, ist das doch super. Farben, Glitzer und Feinmotorik.

Natürlich wusste die Bastelladen-Dame sofort, was ich meine, und hat mir die richtigen Sachen gezeigt. Ich hab also Pailletten, Nägelchen, Blümchen und Eier gekauft.






Und dann ging's los. Pailletten auf den Tisch und aufgefädelt. Die Kinder waren zum Glück so begeistert, wie ich mir das vorgestellt hatte, und haben gleich losgelegt.







Die fertigen Eier haben wir dann auf lange Metallstäbe aufgespießt und sie in der Mitte der Palmbuschen festgesteckt. Für jedes Kind zwei Glitzer-Eier und ansonsten ganz viel Grün und Palmkatzerl. 







Und morgen können wir die Eier herausnehmen und sie stattdessen mit einer Schlaufe am Osterstrauch aufhängen. Oder am Türkranz befestigen.

Mittlerweile haben wir schon ein paar weitere Farben eingekauft und andere Ideen ausprobiert.




Eine Schachtel mit Nägelchen (immerhin 1000 Stück) reicht übrigens für knapp vier Eier. Das ist viel Feinmotorik! Aber es geht doch relativ schnell.
Die Blümchen sind allerdings mit Stecknadeln befestigt, weil diese länger sind und besser im Styropor halten.

Dieses Exemplar ist mein persönlicher Favorit. Meine Freundin hat an Ostern Geburtstag und ist großer Fan der Insel, da wollte ich mir diesen Spaß nicht verkneifen.