Sonntag, 20. März 2016

Kapitel 129 - in dem es um Erinnerungen und gute Wünsche geht

Also, man liest ja immer mal wieder, mit welcher Hingabe gestrickt wird. Da werden vor Rührung zerfließend und mit sich seufzend hebender Brust Masche an Masche gereiht, um für diverse Gelegenheiten - Ankunft des Babys, Geburtstag der Mutter - Geschenke überreichen zu können, die nur so mit Gefühlen und guten Wünschen aufgeladen sind.
Jede Umschlingung des Garns bedeutet einen guten Gedanken, den man mit in das Geschenk hineinstrickt, damit der Empfänger möglichst vor allem Bösen bewahrt werden kann. Je dünner das Garn ist, desto mehr Wünsche können demnach auch hineingestrickt werden, und umso wertvoller wird das Geschenk.

Jaaaa, das klingt ja ganz gut, und ist ganz im Sinne einer romantischen Verklärung des Hobbys. Aber, wenn wir mal ehrlich sind, dann ist es eigentlich nur eins: ein Riesenschmarrn nämlich.

Da halte ich es eher mit Else Ury, die in dem kürzlich erst wieder gedruckten Büchlein Nesthäkchen und der Weltkrieg (und das gerade unser Vorlesebuch ist) Folgendes schreibt:
"Masche um Masche glitt von einer Nadel zur anderen, Gedanke auf Gedanke glitt durch den alten Kopf." (S. 7)

So geht es mir schon eher. Und zwar sind das meine eigenen Gedanken und nicht unbedingt nur solche, die sich um den Empfänger meiner Strickarbeit drehen. Da müsste ich ja verrückt werden! Die Gedanken kann man ja zum Glück nicht so kontrollieren und ich stricke ja eher aus Selbstberuhigung, d.h. ich höre mir selbst zu, wie sich meine Gedanken in der Waschmaschine im Kopf verlangsamen und sich denjenigen Bereichen zuwenden, die durchdacht werden wollen.

Oder eben nicht. Nämlich immer dann, wenn es sich um ein kompliziertes Muster handelt. Bei einem solchen Muster auch noch, neben Zöpfen und Lochmustern und Farbwechseln gute Wünsche hineinstricken zu wollen, ist definitiv zu viel verlangt. Das würde doch komplett schief gehen!

Auf der anderen Seite gibt es ja auch die wahlweise glatt rechts oder kraus rechts gestrickten Projekte, die man zwar unbedingt haben will, bei denen man aber zwangsläufig an den Punkt gelangt, an dem das Stricken selbst zur Qual wird. Was, eine Runde hat mittlerweile 583 Maschen? Und das Ganze noch für mehr als 5 cm? Wie soll ich das nur überleben?
Da helfen auch die besten gut gemeinten Wünsche nix mehr.

Ich halte es also eher mit der Dawanda-Dame, die ihr kleines Bastelreich als 'Villa Sorgenlos' bezeichnet hat. Das ist es doch. Eine Tätigkeit, die mir selbst ein Vergessen des Alltags ermöglicht und eben nicht mit der zusätzlichen Aufgabe belastet ist, auch noch die richtigen guten Wünsche an der richtigen Stelle einzustricken.

Ein bisschen wie eine Seelenmassage ohne den Masseur bezahlen zu müssen, sozusagen.

Da dienen die einzelnen Projekte schon eher dazu, mich wie in einer Art Tagebuch daran zu erinnern, was mich jeweils zu dieser Zeit beschäftigt hat oder auch, was mir die stupide Strickarbeit versüßt hat.

Ach ja, das war ja zur Zeit der dritten Staffel von Arrow - super spannend und so schön grün!

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