Samstag, 15. November 2014

Kapitel 106 - von den fehlenden Fanfaren

Man strickt also oder häkelt. Ein Riesenprojekt, das auch tatsächlich fertig wird. Eine Jacke aus Patchworkfleckerln oder ein großes Tuch in Hin- und Herstrickerei. Oder einen Pulli mit Nadelstärke 2-3. Ein wirklich cooles Projekt, das aber ein echter Zeitfresser ist, genau wie meine Häkeldecken.

Toll, großartig, wunderbar.

Während dieser langen Zeit, in der man sich immer wieder motivieren muss, auch wirklich durchzuhalten, hilft eine Vorstellung ganz gewaltig. Nämlich diejenige, dass man sich am Ende sehr erleichtert fühlen wird. Dass man sich unglaublich freut und das fertige Werk freudig in den Armen hält. Den Kopf schief gelegt, lächelt man etwas dämlich und bewundert seine eigenen Fähigkeiten. Ein fantastischer, befreiender Zustand.

Dann ist der letzte Faden vernäht, das gute Teil zur Not auch gewaschen und gespannt und man ist wirklich, wirklich fertig.

Seufz.

Aber wie lange hält dieser himmlische Zustand an? Einen Tag? Eine Woche? Einen Monat?

Pfiffkas wie der Süddeutsche sagt. Der hält nicht einmal eine Stunde und schuld daran sind nur wir selbst.

Es gibt keine Fanfaren, keinen Champagner, kein Feuerwerk, keine Tänzerinnen, die mit Tamburin und Tschingderassabum durch die Wohnzimmertür hereinkommen und einen Ringelreihen um mich herum veranstalten, weil es mir ganz allein - nur auf Grund meiner enormen Nadelfertigkeiten - gelungen ist, ein großes Werk zu vollenden. Nein, nichts davon gibt es.

Stattdessen plumpst ganz einfach ein anderes der vielen, vielen Ufos in meinen Schoß und verlangt danach, fertiggestellt zu werden. Schreit förmlich danach.

Schon sind all meine Fähigkeiten gebündelt und auf das neue (alte) Werk konzentriert. Gerade noch gelingt es mir, die übrig gebliebene Wolle des alten Projekts irgendwo zu verstauen, da wird schon die neue Anleitung gelesen, noch einmal durchdacht und weiter geht's.

Man stellt sich auf die neue Wolle, auf die neuen Nadeln, auf die neuen Herausforderungen ein und das eben noch gefeierte Projekt ist wie weggeblasen aus dem Hirn. Verschwunden. Ohne Überbleibsel der Freude und Zufriedenheit.

Ein Stricker kennt keine Ruhepausen!

Stattdessen zählt man nach, wie lange man noch an dem jetzt aktuellen Werk wird sitzen müssen. Muss sich mit genau denjenigen Problemen herumschlagen, derentwegen dieses Ding ja erst zum Ufo wurde und befindet sich über kurz oder lang wieder in der Phase, in der clevere Motivation vonnöten ist.

Beim Sockenstricken ist das einfach, da arbeitet man ja von Nadel zu Nadel. Der Änderungseffekt tritt auch bei der Magic-Loop-Methode häufig genug ein, sodass es einigermaßen vorangeht. Aber was ist mit langen glatt-rechts-Phasen, womöglich mit vielen Maschen?

Da versuche ich es immer mit dem berühmten Kontrastfaden. Einmal in der Mitte um ein paar Maschen geschlungen, baumelt er fortan fröhlich inmitten meines Gestricks und zeigt mir, dass ich tatsächlich vorankomme und nicht etwa von einem schwarzen Loch verschluckt werde. Aber hart ist es trotzdem!

Da wäre jetzt der Champagner recht, den die Tänzerinnen hätten mitbringen sollen. Aber der ist ja eben leider niemals angekommen.

Aber was soll's! Macht doch immer noch genug Spaß, sonst hätten wir's wohl längst aufgegeben! Und ein Glas Rotwein wird sich ja auch noch auftreiben lassen irgendwo, oder?

Donnerstag, 13. November 2014

Kapitel 105 - wie eine Decke entsteht

Es hat tatsächlich ein Jahr gedauert. Erste Granny-Square-Versuche datieren zurück auf den 9. November 2013, aber jetzt sind die Decken endlich fertig. Jippiiiiiie!

Blicken wir also zurück auf die Entstehung meiner epischen Werke, mit anderen Worten, liebe Leser, es folgt mein Ta-dah-Moment (habe den ersten vieler Momente verlinkt - eine Menge weitere sind zu er-klicken auf der rechten Seite).

Die Decke wird eine Summer Garden Granny Square-Decke von Lucy aus attic24.
Wir beginnen mit einem Luftmaschenring, häkeln Maschen hinein, häkeln eine Blüte außenrum und schließlich wird aus der Blüte ein Viereck.
Ganz einfach und super erklärt und bald schon auswendig gewusst.



So auswendig, um genau zu sein, dass ich schon bald in die Fließbandproduktion übergegangen bin. Die Dinger gehen aber auch wirklich flott von der Nadel.




Aus drei Farben werden sechs Fleckerl. Und zwar jeweils in zwei verschiedenen Farbkombinationen:

Knallig mit hellbraunem Rand - die Hippiedecke:



Pastellfarben mit Rand in naturweiß - die Babydecke:




Die gehäkelten Fleckerl werden gestapelt bzw. in Kisten verwahrt.








Da es nach Damenwunsch diese ganz eigenen Farbkombinationen gibt, muss ich genaue Listen führen, welche Kombination ich wie oft benötige, damit ich am Schluss die gewünschten 218 Viereckchen pro einzelner Decke habe.





Bei der Pastell-Decke ist die Farbauswahl recht mager - Junghans bietet leider kein Apricot an. Also weiche ich kurzerhand auf Stylecraft Special DK aus. Funktioniert glücklicherweise bestens.





Bald sind überall Fleckerl verteilt und zusammen sind sie schon ganz schön schwer:




Auf die durchaus sammelwütige Phase des Häkelns folgt die weniger erfreuliche des Zusammennähens. Merke: sollte ich noch einmal eine solche/eine ähnliche Decke planen, dann muss ich unbedingt Phasen des Fadenvernähens einplanen. Alle 25 Fleckerl oder so. Wichtiges Utensil - eine gute und vor allem flotte Schere:



Ich versuche mich zu motivieren. Immer nur 20 Stück. Dann der Farbe nach:







Das funktioniert auch. Mal mehr, mal weniger. Am Schönsten ist es natürlich, wenn man den Zen-Zustand des Vernähens erreicht. Eine Art hypnotische Nadeltätigkeit, in der man einfach nur noch das nächste Fleckerl sieht und die Gedanken spazieren lassen kann.  Das Vernäher's-High für die armen Irren, die versuchen, eine Häkeldecke zu fabrizieren. Es kann erreicht werden! Aber es dauert.



Dann werden alle fertigen Viereckchen ausgelegt. Arrangiert. Wieder neu ausgelegt. Umgelegt. Sortiert. Auseinander sortiert.

Naja, man kann sich denken. Das dauert ewig. Es macht viel Spaß. Aber es dauert ewig. Und irgendwann muss man sich auch sagen, dass jetzt Schluss ist, sonst kommt man nie weiter.



Das ist mir seltsamerweise bei der bunten Decke leichter gefallen. Diese hab ich nach den gelben Vierecken sortieren müssen - das war einfach ziemlich auffällig, dass nicht zu viel Gelb nebeneinander liegen konnte. Diese Farbe knallt unglaublich (die Decke hab ich Woodstock genannt). Vielleicht kann man das hier erkennen, aber die gelben Fleckerl liegen alle auf Diagonalen von rechts unten nach links oben.

Nächster Schritt.
Flecken wieder stapeln und in der richtigen Reihenfolge aneinander häkeln. Das ist gar nicht so einfach, wie man denkt und vor allem darf man dabei kaum gestört werden. Die Familie hatte ihren Spaß, ich weniger - so viel ist klar.




Wie man hier sieht, hab ich einen Stock zu Hilfe genommen. Alle Vierecke aufgefädelt und sie dann nacheinander entnommen.
Hat gut geklappt, bis ich gemerkt habe, dass der Stock unten keinen Stöpsel oder Korken hatte und ein nicht unerheblicher Teil der Fleckchen hinter das Sofakissen gerutscht ist. Typisch für mich! Gah!!!




Nach der Querverbindung der einzelnen Reihen ist es wenigstens schon 'irgendwie' eine Decke. Zumindest kann nichts mehr auseinanderfallen.


Die Längsverbindung dauert ewig. Ein Glück, dass ich mir schon vor Jahren mal im Wahn ein paar Hörbücher - nämlich diese Reihe -  gekauft habe, sonst hätte ich das nicht überlebt!
Das verlinkte Buch war übrigens nix für mich - ein sehr gewollt witziger Roman, der gar nicht so witzig war, fand ich. Hätte ich nicht gelesen - aber Jan Josef Liefers war toll!


Schließlich aber, alle Teile aneinandergefügt. Die Fäden vernäht. Und mit dem Ergebnis bin ich eigentlich auch zufrieden.



Die oben verlinkte Anleitung erklärt eine recht sinnvolle Methode des Zusammenhäkelns nur in einen Teil der Masche, sodass auf der Vorderseite ein hübscher Rand des Vierecks zu sehen ist. Gefällt mir.

Jetzt geht es also noch um den Rand der Decke.

Tausend Möglichkeiten - das ist ja schon mal nicht so gut. Ich kann mich bekanntermaßen eher schlecht entscheiden.

Der vorgeschlagene Rand war durchaus in Ordnung, aber doch ein wenig zu übertrieben fröhlich. Also erstmal weitere Granny Ränder.


Aber Moment. Ist der erste Rand nicht zu wenig? Sollte ich in der Farbe der Umrandung nicht noch mehr häkeln, damit ein größerer Abstand da ist?



Zu spät. Jetzt folgen schon die anderen Farben. Die Decke soll ja noch ein bisschen größer werden.




Und jetzt? Wie abschließen? Ein kurzer Blick in dieses Buch. Schnell ist eine Lösung gefunden und es wird losgehäkelt.

Oh nein, das sieht gar nicht gut aus. Wieder zurück. 
Neuer Versuch. Wieder nix. Noch einmal zurück.
Dritter Versuch. Man ahnt es. Jetzt liegen die Nerven blank und es wird durchaus gezerrt am guten Stück. Der Faden reißt. Zum Glück hab ich noch Ersatzknäuel.



Aber dann: dieser Versuch klappt. Es entsteht eine Welle, die ganz hübsch aussieht und auch Gefallen bei den Damen findet:




Dann noch schnell zwei Reihen mit Stäbchen dran. Schnell? Ha, kleiner Witz.

Erster Rückschlag: der Rand wellt sich, eine Rüsche war eher nicht geplant. Also noch einmal zurück und an strategischen Stellen Maschen abgenommen. Klappt.
Zweiter Rückschlag: Mir geht eine Farbe aus. Eine einzige Farbe. Ein einziges Knäuel. Un-glaub-lich. Zum Glück schnell bestellt und schnell geschickt. Weiter geht's.

Die erste Decke noch nicht vernäht, denn das war ganz wichtig: beide Decken sollten möglichst gleichzeitig fertig werden. Jaja, man hat seine Zwillinge eben nicht ungestraft!

Restfäden vernäht - bei den schon überstandenen Mengen ein Kinkerlitzchen, das locker an einem Fernsehabend erledigt werden konnte. Und schließlich der große Fototermin. Decken sind fertig - hurra!






Und das Schönste: sie sind als Vor-Weihnachtsgeschenk schon in die Zimmer der Damen gewandert und werden dort jeden Abend voller Freude zum Einkuscheln verwendet. Genau so muss es sein!


Was zeigt mir das Ganze? Es klappt tatsächlich. Aus ein paar langen Fäden entsteht irgendwann etwas völlig Neues, das herrlich warm halten kann. Unser Hobby ist einfach großartig!