Mittwoch, 8. Juli 2020

Kapitel 153 - vom Stricken in der Krise

Tja, wenn man sich so umsieht, dann könnte man fast glauben, dass es keine Krise mehr gibt, die Leute fahren ja sogar wieder nach Italien in den Urlaub.
Aber ich finde, so ist es ganz und gar nicht. Das böse C-Wort hat die Welt - und mich - voll im Griff.
Auch bei mir ist im März erstmal die Tür zur Arbeit zugegangen und alles ist auf das berühmte Homeoffice umgestellt worden. 

Super, dachte ich, da bist du in der Nähe der Wollschätze und kannst soviel stricken, wie das Herz begehrt. Pläne hatte ich natürlich zur Genüge.
Aber wie so oft - es kam ganz anders!

Zuerst einmal habe ich gemerkt, dass ich gar nicht stricken kann. Zumindest dann nicht, wenn es sich um etwas handelt, was wohlüberlegt sein will, wie z.B. ein Pullover.

Größe entscheiden, Nadel entscheiden, Änderungen entscheiden, das alles hat mich plötzlich völlig überfordert. Ich konnte mich vor Sorge um diverse Risikopatienten in meiner Familie überhaupt nicht konzentrieren. Und alle Nachrichten, die so eingetrudelt sind, waren alles andere als beruhigend. Was tun?

Da fiel mir etwas ein, was mir schon oft geholfen hat, nämlich ein kleines, überschaubares Projekt. Ein Viereck.

Ganz passend dazu haben Arne&Carlos ein Projekt namens 'Hug me later' herausgebracht, eine Jacquard-Decke, bei der sie wöchentlich ein Fleckchen veröffentlicht haben. Sehr gut, dachte ich, da kannst du gleich die Doubleface-Technik üben. Also habe mir ein bisschen Deckenwolle aka Acrylwolle von Stylecraft zurechtgelegt und mitgemacht. Es sind 30 Motive erschienen, aber in der dazugehörigen Facebook-Gruppe haben viele Leute weitere Ideen und Projekte gepostet. Eine große Decke wird mit ungefähr 96 Fleckchen angegeben, da habe ich also noch gut zu tun:


Einstweilen macht mir das Stricken Spaß, Doubleface geht langsam schneller und die Ideen gehen nicht aus. Vor allem die neu ausgedachten Motive der anderen Mitstricker sind wie eine Chronik der Ereignisse und damit mehr als eine neue Decke aus dem Jahr 2020. Sie sind eine wirkliche Memory Blanket.

Zum zweiten war schon lange eine Restedecke fällig. Begonnen im Februar, war jetzt die ideale Zeit, diese zu beenden. Da muss ich nicht viel nachdenken, das schaffe ich, dachte ich mir.

Wieder sprechen wir von Vierecken, diesmal gehäkelt, und zwar nach der einfachen und schönen Anleitung von Claudetta Crochet. Das ist ja meine Haus- und Hofanleitung für jegliche Granny Squares dieser Art und auch diesmal hat sie mich nicht enttäuscht.

Der Vorteil von Restedecken ist natürlich, dass man tatsächlich eine Menge von übrig gebliebenen Garnen nach Belieben hineinarbeiten kann und trotzdem sieht die Decke am Ende gut aus. Vorausgesetzt, man arbeitet mit einer Grundfarbe. In meinem Fall schwarz: 


Diese Decke war für eines meiner Mädels bestimmt. Man beachte - wenn dies auch nur schwer möglich ist - den Rand. Hier wurden kilometerweise eine uralte, ererbte, grüne Jackenwolle verarbeitet, die auf diese Weise noch eine sinnvolle Bestimmung erhalten hat.
Und wie das so ist bei Zwillingen, wollte die zweite der Damen natürlich auch eine Decke und Reste waren noch da:

Mein Fazit aus der Krise: offensichtlich kann ich bei übersichtlichen und einfachen Projekten am besten abschalten. Und wenn sich das viele Deckenstricken und -häkeln stupide anhört, so bleiben mir am Ende doch wenigstens ein paar Erinnerungsprojekte, die mich und meine Lieben in Zukunft warm halten können. Das ist eigentlich gar nicht so wenig, wenn man es recht bedenkt.

Sollten die Dinge aber so werden, wie sie heute schon aussehen, nämlich viel, viel besser als noch vor wenigen Monaten, dann kann ich mich immer noch zurück in die Herrlichkeiten des Pulloverstrickens stürzen. Die Maschenprobe ist schon gemacht: