Mittwoch, 23. Juni 2021

Kapitel 159 - Mein Shame-Shirt

Begonnen hat alles mit einem guten Vorsatz. Nicht zum ersten Mal und sicherlich auch nicht zum letzten Mal. Nebenbei bemerkt: schon das Wort 'Vorsatz' müsste den werten Leser bzw. die Leserin eigentlich stutzig machen. Da ist die Rutschpartie ins Chaos doch schon vorprogrammiert.

Aber kehren wir zu den Anfängen der Geschichte zurück.


Es ist Juni, also Pride Month, wie jeder aufmerksame Mensch auf diesem Planeten sicherlich weiß und gutheißt. Wie bereits im letzten Jahr veranstaltet die engagierte und freundliche Podcasterin Sissi den so genannten Regenbogen-Make-Along (Hinweis: Ravelry-Link), bei dem genau dieses Thema im Zentrum steht. Die Regenbogenfarben als Zeichen der Sichtbarkeit für eine diversifizierte und offene Gesellschaft sind das Thema, die Ausführung der Projekte bleibt jedem selbst überlassen.


Na, da will ich doch mal! Bereits letztes Jahr habe ich erfolgreich mitgemacht und hatte meinen bunten Spaß im Juni.

Dieses Mal ist ein Ringelshirt (Hinweis: Ravelry-Link) aus meiner langfristigen Projektplanungsliste raketenartig nach oben gerückt und sollte also sofort angeschlagen werden.


Und ganz gemäß meiner immer noch aktiven Stashbemühungen für 2021 habe ich natürlich Reste im Visier gehabt. Aber eben, wie der Zufall so freundlich wollte, hübsche Reste in bunten Farben.




Los geht's. Die gewählte Anleitung passt sogar in die ebenfalls von mir positiv begrüßte Knit-a-book-challenge, weil sich bei mir ja auch ein nicht geringer Bücher-Stash befindet.


Es läuft auch alles nach Plan. Maschenprobe und damit auch Festlegung der Streifenbreite klappten super. Richtige Größe ausgesucht und sofort angeschlagen.


Nach gut 2cm habe ich mir das Gestricksel mal locker um den Hals gelegt und dachte mir, das wird aber reichlich weit. Das rutscht ja von den Schultern. Also Kommando zurück. Aufgetrennt und neu angeschlagen, diesmal in einer kleineren Größe.


Nach weiteren 2cm habe ich mich entschlossen, doch schnell Kopien der Buchseiten anzufertigen, damit ich nicht immer mein Taschenbuch mit diversen Kaffeetassen in wackliger Position offenhalten muss. In diesem Zusammenhang gelingt es mir offensichtlich auch, einen richtigen Blick in die Anleitung zu werfen und was muss ich sehen? Entgegen meiner automatischen Annahme beginnt das Oberteil VON UNTEN und nicht etwa wie automatisch angenommen top down. Na, kein Wunder, dass die erste Version so weit gewesen ist. Und auch kein Wunder, dass die neue, kleinere Maschenzahl auf keinen Fall über meine hübschen aber stattlichen Hüften passen würde. Also nochmal aufgetrennt und wieder die ursprüngliche Maschenzahl angeschlagen.


Da geht es dann eine Woche lang voran. Von kleineren Ausrutschern wie dem Vergessen des Nadelwechsels direkt nach dem kraus rechten Bündchen und der nachfolgenden Flip-flap-Bewegung des Strickstücks nicht zu reden. Da habe ich einfach große Hoffnungen in das Thema Spannen und Dämpfen gelegt. Oder mir eingeredet.


Nach einer Woche und ungefähr der Hälfte der erforderlichen Länge vor der Passe ist Bestandsaufnahme angesagt.



Diese ergibt Folgendes:

  1. Das Flip-flap nervt.
  2. Ich verstricke Reste, d.h. der Wollvorrat ist begrenzt. In der Passe werden die Streifen sehr breit und ein Anstückeln in der Grundfarbe (weiß) sieht hier besonders blöd aus.
  3. Die von mir gewählte Maschenprobe ergibt als Pullover ein echt festes Gestrick, das sich u.U. nicht so toll eignet für hochsommerliche Temperaturen, wie sie gerade herrschen.


Also Kommando zurück. Neue Maschenprobe und neue Festlegung der richtigen Maschenzahl. Diesmal verzichte ich auch auf ein kraus rechtes Bündchen, sondern stricke stattdessen mein geliebtes Rippenbündchen. Hab ich auch erst gemerkt, nachdem ich mit größerer Nadel ein superlockeres und damit ätzendes Bündchen gestrickt hatte, aber was soll's, diesmal war's nur ein kleiner Umweg.


Los geht's also wieder.

Aber: um dieses Bündchen als Effekt einzusetzen und nicht wie eine Abbindeschnur in Rügenwalder-Teewurst-Manier muss ich zuerst mehr Maschen anschlagen und sie dann in der ersten Reihe des 'normalen Musters' wieder abnehmen. In der Anleitung wird allerdings in der ersten Reihe nach dem Bündchen bereits kräftig zugenommen. Dann beginne ich eben mit dieser endgültigen Maschenanzahl.

In diesem Plan steckt natürlich ein grober Denkfehler, aber wer findet den schon bei über 30°C im Schatten? Ich nicht!


Das heißt, ich beginne einfach einfach neu, und zwar mit größerer Nadel bereits fürs Bündchen. Das ursprüngliche Strickstück ist noch nicht wieder in seine Bestandteile zerlegt, weil ich zuerst testen will, ob mir das neue Gestrick wirklich lockerer und damit besser erscheint.


Nach ein paar Farbwechseln beginnt das innere Wollhühnchen wieder zu gackern. Reicht denn die Wolle wirklich? Hast du überhaupt ausgerechnet, ob bei der neuen Maschenprobe oben auch die richtige Farbe herauskommt (natürlich nicht). Die Passe ist ja schon wirklich breit, wäre denn top-down in so einem Fall nicht besser?


Es wurde laut in meinem Kopf und schließlich habe ich aufgegeben. 

Na gut, dann aber ein Raglan-Streifenshirt. Da komme ich mit der Anleitung von Thorsten Duit (Achtung: Ravelry-Link) gut zurecht und ich kann das Bündchen unten ja immer noch länger machen, sollten die Farben wirklich nicht reichen. Wenigstens kann ich aber dann in meiner Lieblingsfarbe oben anschlagen. Es soll ein V-Ausschnitt sein, da gibt es zwar einiges zu beachten, aber was soll's, los geht's endlich.


Schnell den Kragen ausgemessen, in den Raglan-Rechner eingegeben und ran.


Bei Farbe 3 - wir befinden uns mittlerweile in der dritten Juniwoche - stelle ich fest, dass Thorsten recht hat. Man muss tatsächlich aufpassen, dass einem der V-Ausschnitt nicht von der Schulter fällt. Wer hätte das gedacht???


Außerdem würde mein V-Ausschnitt bei dem Tempo meiner zögerlichen Zunahmen (jede dritte Hinreihe) locker bis zum Bauchnabel reichen und das wäre in meinem Alter und auch, wenn wir mal ehrlich sind, bei meiner Figur nicht so erstrebenswert. So breit kann das Bündchen da nicht mehr werden, um hier was zu retten.


Es kommt also, wie es kommen muss. Auch diese Version fliegt von den Nadeln und endlich meldet sich bei mir jemand Vernünftiges im Kopf. "Nimm mal ein Oberteil mit V-Ausschnitt, das passt", heißt es plötzlich, "und messe da den Halsausschnitt." Clevere Idee, denke ich mir. Gesagt getan. Und siehe da, statt 65cm kommt plötzlich nur 58cm heraus. Sitzt immer noch schön locker, aber eben nicht wie ein Carmenausschnitt gleich zu Beginn.


Und dann geht es plötzlich endlich richtig voran. Die Nadelstärke ist gut gewählt, die Farben machen Spaß und das Strickstück wird passen. Aber in diesem Juni wird es nicht mehr fertig. Shame on me!





P.S.: Na, wer hat mitgezählt? Ich bin in der siebten Runde und von Knitter's Pride kann nicht mehr die Rede sein. Aber für den ursprünglichen Zweck stricke ich es fertig. Das wäre ja gelacht!


2 Kommentare:

  1. Wenn das Shirt nächsten Juni fertig wird, ist es doch auch gut ;-).

    Aber immerhin hast du schon immer rechtzeitig gemerkt, dass es so nicht gehen kann, und rechtzeitig die Reissleine gezogen. Besser als ein fertigs Shirt, dass nicht passt!

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  2. Liebe Cornelia, das stimmt natürlich! Vielleicht schaff' ich's auch schon früher, wer weiß?
    Dass ich's rechtzeitig abgebrochen habe, führe ich natürlich auf meine Strickentwicklung zurück. Man hofft natürlich immer, dass man schlauer wird ;-)

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