Freitag, 31. August 2012

Entscheidungsschwäche

Es ist ja nicht so, dass meine Blogunterüberschrift von ungefähr kommt. Ganz im Gegenteil. In meinem Kopf ereignen sich ständig aufregendste Kämpfe von inneren Stimmen, sobald ich auch nur eine Minute freie Zeit habe, oder besser gesagt sie mir nehme (ich überspringe jetzt mal die inneren Stimmen, die mich auffordern Papierkram zu erledigen, Wäsche aufzuhängen oder sonst irgendeine Haushaltsarbeit zu tun, die gerne noch ein paar Stunden warten kann).

Ist also ein solches Stadium der gefühlten Ruhe erreicht, geht es sofort los: "Du kannst endlich lesen!" ruft die eine Stimme und lässt meine Augen über die vollen Regale schweifen. Allein auf meinem Nachtkästchen sieht es so aus:

Zuoberst (bin gerade bei der Hälfte): Evelyn Waugh, Brideshead Revisited.
Ist wunderbar, aber für die paar Seiten vor dem Einschlafen zu anstrengend.
Daneben (zum Blättern) ein Bildband über Tippi Degré, dem Mädchen,
das in Afrika mit wilden Tieren spielt. Hübsch und nicht zu anstrengend. 
Aber der Rest!!!

Wie man sieht, kommen ständig Bücher dazu. Dies wollte ich noch lesen oder das sollte ich mal lesen... Links oben im Bild ein persönliches Projekt: "Ein Dickensroman pro Jahr".
Letztes Jahr habe ich endlich A Tale of Two Cities gelesen und weiß jetzt aus erster Hand, wer Madame Defarge ist, aber dieses Jahr bin ich noch nicht so weit gekommen (es soll Dombey&Son werden, aber morgen ist schon September...)

Zwischenruf: Ich weiß übrigens nicht, ob die Buchtitel, die es mittlerweile über Mme Defarge gibt, z.B. dieses hier, auch wirklich halten, was sie versprechen. (Mmmh, bei näherem Überlegen ist es vielleicht doch nicht so übel, zumindest, wenn man die Kommentare liest). Jedenfalls hatte ich bei der Lektüre des Romans eher den Eindruck, sie würde einfach Riesentücher oder Schals stricken, ohne Muster (außer ihren Geheimnachrichten natürlich).

Schon beim Anblick des Nachtkasterls beginnt sofort meine andere Stimme zu rufen: "Endlich kannst du stricken!" und zieht mich magisch zum Strickkorb, um mir all die angefangenen Projekte zu zeigen.

Auch hier findet sich natürlich mehr als eine Option.

Möglichkeit 1:

Das größte Projekt: eine Jacke für den Winter.
Es fehlt eigentlich nur der Rest des zweiten Ärmels und die Blende für den Reißverschluss.
Der Reißverschluss wartet bereits auf das Einnähen (ganz oben hinter der Plastikmappe zu sehen).
Aber: ich komme doch nicht weiter.
Das Teil ist in einem Stück gestrickt und mittlerweile sehr schwer.

Möglichkeit 2:



Mein Adventsprojekt. Das geht eigentlich immer.
Es handelt sich um kleine Söckchen, die ich in 24er Reihen dieses Jahr gefüllt an eine Leine hängen will.
Ich spreche extra von Reihen, weil meine Mädels ja jeweils ihre eigene haben sollen.
Wenn ich fleißig bin, springt sogar noch eine für meinen Süßen raus.
Habe ca. 50 Söckchen mittlerweile und sammle sie in der Tasche im unteren Bild.
Man beachte den passenden Schaf-Stoff...
Ist super für Reste, aber nach dem 5. Socken wird es langsam etwas unspannend.
(Anleitung aus Verena 12/1995, Modell 5)

Schließlich, Möglichkeit 3:





Dies ist eigentlich das aktuellste Projekt.
Meine ersten Trachtensocken.
Anleitung aus: diesem Buch und hauptsächlich begonnen,
damit ich endlich die Sache mit dem Zwickel kapiere.
Geht gut voran, aber man muss sich doch konzentrieren, nix für eine DVD.

Von all den anderen angefangenen und geplanten Projekten will ich hier noch gar nicht reden.

Wie man sieht ist die Entscheidung schwer, zumal vor allem das Oktoberfest und demnächst auch wieder der Advent vor der Tür stehen, von einem kalten Winter ganz zu schweigen...

Da ist es nicht das Schlechteste, wenn einem die Entscheidung abgenommen wird, nämlich hiervon:

Das erste Buch habe ich auf Deutsch gelesen (war in der Bibliothek nur auf Deutsch da und hat den bescheuerten Titel Euer schönes Leben kotzt mich an).
Dieses aber schließlich auf Englisch und ich kann nur sagen:
Man wird regelrecht in das Buch hineingesogen und wenn man hin und wieder aufblickt und sich unsere Welt, so wie sie ist, ansieht, dann kann man sich nur wundern.

Eins ist jedenfalls sicher:
Wenn sich unser Leben nur annähernd so ändert, wie in diesem Buch anhand einer Jugendlichen skizziert, dann ist es nicht das Schlechteste, dass man stricken kann.

Montag, 13. August 2012

Strickteufelopfer

Es ist ja so, dass es immer wieder die Gerüchte einer Strickgöttin gibt, die sich das Treiben der Irdischen so ansieht und jedes Mal dann, wenn diese gerade besonders zuversichtlich sind, ein bestimmtes Muster, ein Design oder auch nur das Handling der Nadeln völlig begriffen zu haben, gnadenlos zuschlägt, um diese Stricker aber ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
Ich glaube ja nicht an sowas. Eine Strickgöttin? Auf keinen Fall. Das kann nur ein Strickteufel sein. Und der steckt ja wieder mal da, wo solche Gestalten immer zu stecken pflegen. Im Detail, aus dem heraus er einen aber wirklich perfide und hinterrücks überfallen.

Folgendes trug sich erst vor wenigen Monaten zu: Eine Strickerin, ganz auf den Sommer eingestellt, kauft in einem sehr gemütlichen und verwinkelten Strickladen ein Knäuel Sockenwolle ein, ein Baumwollgemisch, wie sich das für die Jahreszeit gehört. Zu Hause angekommen, betrachtet sie zärtlich das Erstandene, freut sich über die gelungene Farbwahl des selbstmusternden Garns und liest noch einmal ausführlich die Banderole.

Es steht alles da, was wichtig ist: strapazierfähig, nicht filzend, nicht einlaufend, äußerst ergiebig, hautsympatisch. Letzteres ist sehr wichtig, will sie doch für vor allem für die Kinder ein paar Socken stricken. Gesagt, getan.  Das Paar Socken ist schnell genadelt, ein einfaches rechts/links-Muster macht die Arbeit ganz flink. Dann an den oberen Rand noch eine puschlige Wolle, passend zur Farbe, und fertig. Wunderbar.


Opal Cotton von Zwerger
Rest Samba von Wolle Rödel
Nadel 2,5
Muster von mir

Aber der Rest? Mmh, könnte der nicht doch noch für ein weiteres Paar reichen? Was stand da nochmal? "Äußerst ergiebig" genau, das reicht bestimmt, Größe 38/39 müsste noch drin sein. Schnell ein Muster gesucht und los geht's.


Unheimliche Musik. 


Die Strickerin hört und sieht nichts. Das Muster macht Spaß und es geht flink voran. Aber was ist das? Müsste hier nicht ein anderer Farbwechsel kommen? Sie hat die Wolle doch gerade an einem ganzen Paar Socken verstrickt und kennt die Abfolge. Nein, da kommt nichts mehr. Wie kann das sein?


Die Lösung bringt ein Blick auf die Garnbanderole: Ja, genau, das ist richtig zu lesen. Es handelt sich um die Partie 1 (!!!!!) der Farbe 1340. Das kann doch nicht wahr sein. Da hatte wohl der Strickteufel auch bei Fa. Zwerger zugeschlagen.



Farbe 1340 Partie 1 – Rechts oben gut zu sehen.
Kein Wunder, dass man noch nie im Lotto gewonnen hat, wenn solche Zufälligkeiten an dieser Stelle passieren!

Die unheimliche Musik spielt weiter.


Es hilft ja nichts, die Socken müssen fertig werden, Auftrennen ist auch keine Lösung. Sieht ein bisschen knapp aus, aber wird schon reichen für den zweiten Socken. Die innere Stimme wird langsam ein bisschen laut, aber man ist ja nicht umsonst ein Meister der Verdrängung.


Nicht lange darauf folgt wie insgeheim schon längst erwartet, die  heutige Aufgabe für unsere ambitionierte Strickerin: Wo ist ein weiteres Knäuel dieser Farbkombination und dieser Partie (siehe Ausrufezeichen oben) zu finden? Ganz genau: nirgends, nämlich.


Die erbärmliche Lösung besteht nun darin, ein einigermaßen passendes Garn zu finden, mit dem man wenigstens diese eineinhalb Socken, die man hat, zu einem unwürdigen, aber doch vollständigen Ende bringen kann. Die Lösung lautet Lana Grossa meilenweit Cotton Stretch. (Partie 55378, nur so als kleiner Lacher nebenbei).





Opal Cotton (Petticoat Cotton) Farbe 1340
Lana Grossa MEILENWEIT COTTON STRETCH Farbe 8001
Nadel 2,5
Muster von mir

Aber wenn schon der Teufel wieder mal voll im Detail steckt, wie es der Omaspruch schon immer wusste, dann stimmt 
hier auch der Spruch vom seltenen Schaden und seinem Nutzen. Dieses Lana Grossa-Garn, noch dazu in der Farbe cremeweiß, hätte ich sonst nie gekauft und es war wirklich superangenehm zu verarbeiten. Tolles Strickgefühl und keine Katastrophen mehr. Socken sind fertig und sehr bequem.

Jetzt ist sogar noch etwas davon übrig.

Das reicht sicherlich noch für ein weiteres Paar Socken.
Ganz bestimmt.
Wenn ich ein einfaches Rippenmuster nehme.
Kein Problem.

Fortsetzung folgt.