Sonntag, 11. August 2013

Ich bin doch ein komischer Mensch

Die Ufos, die ständig in unendlichen Bahnen um meinen Strickkorb kreisen, phasenweise mehr oder weniger werden, mich aber zuverlässig schon all die Jahre meines Stricker-Lebens begleiten, wurden an dieser Stelle ja schon einmal angesprochen.

Und dass die Krankheit Finish-Upitis eine ist, die man eigentlich gerne öfter hätte (ganz im Gegensatz zur Startitis), habe ich auch bereits erwähnt.


Nun gibt es die disziplinierten und von mir unendlich bewunderten Stricker, die wirklich und wahrhaftig immer nur ein - höchstens zwei - Projekte auf den Nadeln haben und erst etwas Neues anfangen, wenn dieses eine - oder diese zwei - Projekt abgekettet, zusammengenäht und versäubert und gedämpft und gespannt ist.


Ehrlich Leute, Ihr seid meine großen Vorbilder!


Nur dachte ich immer, dass dies an einer inneren Stärke und Ausdauer liegt, die mir offensichtlich fehlt. Die irgendwo in der DNA festgeschrieben ist, und zwar an einer Stelle, bei der sich bei mir eine Leerstelle befindet - ein weißer Fleck - eine Mutation.


Und dabei hat sich ganz einfach Folgendes herausgestellt: 
Ich funktioniere offensichtlich mit Wettbewerb.

Hätte ich ja mal selbst draufkommen können, bin ja nicht umsonst Steinbock und denen wird immer mal wieder eine Menge Ehrgeiz nachgesagt.


Es geht um meine Sockenprojekte. Von denen hatten sich im Laufe der Zeit eine ganze Menge angesammelt:




Sieben Paar, mit einem achten nicht auf dem Bild:



Statt sie fertigzustricken hatte ich andere Dinge im Kopf: noch mehr Socken, eine neue Art Stulpen, ein Schal, die Ideen sprudelten nur so.

Aber dann hatte die Gruppe Sock Knitters Anonymous, mit der ich gerade eben ein recht spannendes Jahr hinter mich gebracht habe, eine Idee: die August-Aufgabe.


Im Jahresverlauf werden jeden Monat spezielle Aufgaben gestellt, nach denen man seine Socken stricken soll/kann/darf. Im August allerdings pausiert dieser Knitalong, stattdessen gibt es die spezielle August-Aufgabe, die da lautet: Finish those socks!

Man hat also einen Monat Zeit, um all die Nadeln, die in den verschiedenen Projekten vergraben sind, wieder daraus hervorzustricken, damit man sie ganz frisch im September verwenden kann, wenn das nächste Socken-Jahr in dieser Gruppe beginnt.

Brav hab ich meine Ufos hervorgekramt, sogar solche, die im Winterschlaf lagen, und mal nachgesehen, was es da so gibt:

Ein Paar Socken, dem nur noch eine aufgestickte Mickey Maus fehlt:


Die sind für meinen Schwager gedacht, einen Comic-Fanatiker - keine Ahnung, warum sie noch nicht fertig sind.

Ein paar Marlene-Socken von Cookie A, die ich zu früh begonnen habe, als mich das komplizierte (aber wunderschöne) Muster noch völlig überfordert hat:


Außerdem glaube ich, dass da auch ein Fehler in der Anleitung war, der mich zusätzlich demoralisiert hat.

Ein einzelner Trachtenkniestrumpf, der noch auf seinen Begleiter wartet.


Nadel 2,5mm und stundenlange Zopffieseleien - darauf hat man nun wirklich nicht immer Lust.

Dann immer noch meine Kili-Socken. Aus Verzweiflung an der Norwegertechnik auf Eis gelegt.


Da weiß ich, dass ich sie eigentlich auftrennen möchte. Aber das bringe ich doch nicht übers Herz. Also muss ich sie fertigstricken. Aber das kann warten.

Dann noch einmal die oben abgebildeten Extra-Zopfmustersocken. Tolles Muster, auch eine gute Übung für das Verzopfen ohne Zopfmusternadel:




 Aber ein bisschen aufwendig, ein bisschen anstrengend.

Endlich mein zweites Paar Toe-up-Socken. Einfach mal so begonnen und ein paar Zentimeter gestrickt. Aber nur vom ersten Socken.



Naja, dafür hat man ja immer mal Zeit.

Dann ein Paar Socken, das ich nur begonnen habe, um das Muster noch einmal zu testen, meine eigenen Thorin-Socken:

Da kenne ich das Muster ja nun zwangsläufig sehr gut, da wollte ich eigentlich nur noch einmal eine neue Noppe testen. Das kann man ja immer noch machen.

Und schließlich, ein paar Märchensocken für das Märchen "Die drei Spinnerinnen". 


Da ist die Pause dadurch eingetreten, dass doch tatsächlich höchstwahrscheinlich die Wolle nicht reichen wird. Und bevor man weiß, wie man weitermachen soll, wird eben einfach pausiert.

Tja, und dann kommt die August-Aufgabe. Und es ist plötzlich ein Wettbewerb. Und alle anderen machen mit. Und es gibt was zu gewinnen.

Und da spiele ich verrückt.

Binnen einer Woche sind von acht unfertigen Sockenpaaren nur noch fünf übrig. Unvorssssstellbar bzw. inconceivable:

Thorin-Socken mit Original-Noppe, mit anderer Noppe und ohne Noppe: fertig.


Zopfmustersocken mit langwierigem aber wunderschönem Muster in tollem Kaschka Originale-Garn: fertig.



Häkel- und Stricksocken mit angestückelter Spitze in passendem Garn und verbindendem Hebemaschenmuster: fertig.



Es fühlt sich unwirklich an. Aber es ist toll!

Noch ist der Anfall nicht abgeklungen. Ich melde mich wieder. Aber jetzt muss ich erst mal ein bisschen stricken.

Freitag, 2. August 2013

Neue Geschäftsidee?

Gestern war ich unterwegs und kam an diesem Laden vorbei:



Hier werden selbst gemachte, handgemachte und alte Sachen verkauft. Viele genähte Taschen und Täschchen und Babybodys. Viele Marmeladen und Seifen. Viele gehäkelte Boshi-Mützen und Babymützchen und -schühchen.

In einem Fach lag auch gestrickte Kinderkleidung. Trachtenjankerl fürs Oktoberfest (das übrigens schon aufgebaut wird) und im Fenster hing ein Paar Socken.

Ein Paar Glatt-rechts-Socken für € 22,-. Hey, dachte ich, wenn die Leute bereit sind, für ein Paar so genannter Stino-Socken € 22,- zu bezahlen, dann ist die Welt doch in Ordnung. Der Wert der Handarbeit usw.

Dann hab ich den Flyer des Ladens gesehen. Es gilt eine Provision von 50 % für alle im Laden verkauften Einzelstücke. Das heißt also, die Strickerin/der Stricker bekommen von den verkauften Socken € 11,-. Und dann hab ich zu rechnen begonnen:

Ein Paar Nadeln, ca. € 5,-, gute Sockenwolle, ca € 6,- sind zusammen schon die genannten elf. Die Zeit hat noch keiner gerechnet, aber selbst wer ultraschnell stricken kann, der braucht für solche Socken ein paar Stunden. Sagen wir mal 3-4. Ehrlich, ist es das wert?

Eine Recherche bei dawanda hat ergeben, dass ein Paar Socken tatsächlich für 9-12 Euro, bei komplizierteren Mustern sogar bis 25 Euro verkauft wird. Na, Letzteres verstehe ich ja noch, aber € 9,-? Ich weiß nicht.

Ich erinnere ich mich an meine geniale Kursleiterin in ihrem Volkshochschulkurs, die einfach alles konnte und alles wusste. Genau das hat sie auch angeprangert, und zwar immer anlässlich des örtlichen Christkindlmarktes, auf dem diverse Sozialdienste selbstgestrickte Socken verkaufen. Meist sind das etwas arg locker gestrickte, mit wenig attraktiver Wolle gearbeitete Riesensocken. Und zwar für maximal sieben Euro.

Wenn Handarbeit für wenig Geld verkauft wird, meinte Frau Pöllmann, dann ist sie den Leuten auch nichts wert. Aber, so offenbar die Antwort der verantwortlichen Christkindlstandbetreiber, mehr sind die Leute einfach nicht bereit zu zahlen!

Wirklich nicht?

Das sind doch die gleichen Leute, die ohne mit der Wimper zu zucken 500 Euro für ein Smartphone ausgeben und wer weiß wie viele Tausend Euro für ein Auto. Von Urlaub noch gar nicht zu reden. Aber ein Paar Socken, handgestrickt, Unikat, soll auf jeden Fall für weniger als 10 Euro zu haben sein? Das kann es doch nicht sein.

Über die Zeit hab ich ja gemerkt, dass ich mehr der Prozessstricker als der Produktstricker bin (obgleich ich lange dachte, es sei anders herum), aber mich für 7 Euro von meinen Socken trennen? Ich weiß nicht.

Dann doch lieber die eiserne Regel für Selbstgestricktes beachten und sie nur denjenigen schenken und für diejenigen anfertigen, die den Wert einer solchen Arbeit auch zu schätzen wissen. Und an keine anderen! Die sollen selbst zur Nadel greifen, wenn sie etwas wollen.

Ich glaube wirklich, dass man sich hier nicht dem so genannten 'Markt' unterordnen sollte, denn wenn man etwas unterpreisig verkauft, dann nehmen die Leute es auch als nichts Besonderes mehr wahr.

Schließlich aber können wir als Stricker etwas, was die Mehrheit der Leute eben nicht kann, und wir sind ja schließlich auch bereit, neidlos anzuerkennen, wenn jemand gut klettern kann beispielsweise, denn er hat dafür ja jahrelang geübt.

Ich finde, wir sollten diese Art von Respekt auch einfordern, denkt ihr nicht?

Ein bisschen auch als Respekt vor sich selbst und dem, was man da kann. Das kann auch heißen, dass man nur noch Material verarbeitet oder mit Zubehör arbeitet, das man gerne hat.

Ich selbst arbeite gerade an einer anderen Art von Respekt. Immer noch oder immer wieder an dem Respekt vor mir selbst als jemand, der seine Ufos unter Kontrolle hat. Aber Ravelry hilft, denn die Aufgabe für August lautet: "Free your needles", ein Aufbruch zu kollektiver Nadelbefreiung aka ein Beenden aller angeschlagenen Socken.

Das wäre ja ganz in Ordnung, wenn es nicht so viele wären ;-)




Sieben Paare. Traurig, aber wahr. Also dann: Frisch ins Getümmel gestürzt - Erfolge können hoffentlich bald vermeldet werden.