Mittwoch, 28. Juli 2021

Kapitel 163 - Sommergrüße von der Sockeninsel

Noch vor wenigen Jahren, als mich dieses Hobby längst gepackt hatte, saß ich lange - eigentlich zu lange - auf der Sockeninsel fest.


Ich strickte ein Paar nach dem anderen und kaufte auch ein Knäuel Sockenwolle nach dem anderen. Socken für mich, Socken für die Kinder, Socken als Weihnachtsgeschenk, Socken auf eine Bitte hin, Socken für alle.


Damit einhergehend und zusätzlich angespornt von diversen hippen Strickbloggern, machte sich auch sogleich mein Sammeltrieb bemerkbar. Auf Flohmärkten, bei Internetsuchen und natürlich in meinem lokalen Buchhandel fand ich viele Schätze, die ich seither wie meinen Augapfel gehütet habe.


Denn - Überraschung - viele dieser Anleitungsbücher stellten sich als zu anspruchsvoll für meine damaligen bescheidenen Strickkünste heraus. Nachdem man gerade erst verstanden hat, wie eine Käppchenferse funktioniert, sind Cookie A's Bücher nicht automatisch der nächste Schritt. Sie waren aber wunderhübsch anzuschauen.


Meine Strickfähigkeiten vergrößerten sich aber schließlich doch schön langsam und so folgte ein Paar auf das andere. Socken im Jacquardmuster, Socken mit Zöpfen, Socken mit Lochmuster. Kaum war ein Paar abgekettet, wurde das nächste angeschlagen.


Dann, ganz plötzlich, verschwand das Sockenfieber. Ich versuchte mit aller Kraft endlich die Insel zu verlassen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Mehr Tücher, mehr Mützen, vor allem aber mehr Oberteile - endlich!


Die Socken blieben zwar in meinem Hinterkopf, aber da waren sie für eine Weile ganz gut aufgehoben. Wer will schon Socken stricken, wenn er es endlich geschafft hat, einen passenden Pullover zu zaubern?


Außerdem musste ich doch ausprobieren, was an diesen "entspannenden langen Reihen" dran ist, von denen eine Strickfreundin schwärmte. Und tatsächlich: da ist was dran.


Ich merkte so einiges:

Man kann auch mit 3mm Nadeln eine Strickjacke fertigstellen, dauert zwar, aber funktioniert.

Wenn man dabei bleibt, dann kommt man auch bei Oberteilen gut voran.

Und schließlich - es ist durchaus möglich, passende Oberteile zu stricken, die nach der Fertigstellung keine Enttäuschung sind.


Ich war also gut beschäftigt.


Erst eine sehr lange Weile später tauchten die Socken aber doch wieder langsam auf.


Zunächst nur in der Rezeption - die Sockenberichte in diversen Podcasts ("sock tawk") bereiteten nicht wenig Vergnügen und von dort habe ich auch drei Ideen aufgeschnappt:


  1. Socken in glatt rechts passen einfach am besten.
    Vor allem, wenn man sie rund um's Jahr in Schuhen trägt und nicht einfach zum Herumschlappen zu Hause.
  2. Man kann kleine Sockenwollreste perfekt für Bündchen, Ferse und Spitze verwenden. Macht mehr Spaß und sieht am Ende hübsch aus. Und macht natürlich auch im Wollbudget Sinn.
  3. Und schließlich sind Socken das perfekte Belohnungsprojekt - das, was auf englisch instant gratification genannt wird - sofortige Belohnung.


Da war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis ich meine Wollreste neu sortiert, ein neues Paar angeschlagen und sogleich fertig gestrickt habe.

Herrlich. Passende und vor allem hübsche Socken. Und ein fertiges Projekt. Nach nur ein paar Abenden Strickzeit.


Auch das neu zugelegte gehälftelte Opal-Abo tat da sein Übriges. Große Auswahl und vor allem viele Kombinationsmöglichkeiten mit meinen Resten.




Das heißt also, die Sockeninsel kam wieder in den Blick, wurde langsam größer, und schließlich habe ich doch wieder am Ufer angelegt.


Aber in der Zwischenzeit hat sich auch was getan.


Cookie A's Anleitungen sind kein Mysterium mehr. Ich bin mutiger, einzelne Abschnitte der Anleitung zu ändern ohne gleich Angst zu haben, alles zu verderben. Und ich bin so schnell fertig! 


Sockenstricken ist eben doch ein Kick - mit dem cleveren Nebeneffekt, immer ein Geschenk in der Hinterhand zu haben.


Alles gut also? Rückkehr zur Sockeninsel? Ganz so schlimm ist es nicht. Mein Plan ist jetzt ganz einfach:


Ein Paar Socken als laufendes Projekt ist OK. Das ist gut für Wartezeiten, für Abende, an denen Beruhigung notwendig ist, oder wenn ich nicht nachdenken will oder kann.


Ein neues Paar schlage ich erst an, wenn das jetzige in Arbeit fertig ist.

Klappt bestens bisher und mal ehrlich: wer kann bei einer solch genialen Anleitung auch widerstehen?


Socken kai-mei aus dem Buch Sock Innovation.




Mittwoch, 14. Juli 2021

Kapitel 162 - der V-Ausschnitt und ich

Man hat ja nicht umsonst diverse 'Was steht mir am besten?' Bücher studiert. Da hat sich also nach langer Lektüre ergeben, dass der V-Ausschnitt für viele Leute - und damit auch für mich - eine ganz vorteilhafte Halsausschnittsform ist.

Also will ich natürlich auch meine persönlich angefertigten Kleidungsstücke mit einem solchen V-Ausschnitt schmücken. Klappt soweit ganz gut, beim RVO nimmt man also einfach langsam vorne beidseitig zu, bis man schließlich zur Runde schließt und den Pullover fertig strickt.

Dann noch schnell die Maschen aus dem Ausschnitt aufnehmen, Bündchen dran und fertig.


Klingt einfach und ist es auch - wenn..., ja wenn es sich um ein einfarbiges Garn handelt.

Über die Jahre hat man sich eine gut funktionierende Randmasche angewöhnt, die Maschenaufnahme klappt damit, und der Pulli sieht OK aus.




Was passiert aber bei einem Streifenpulli? Die vielen Farbwechsel bringen die Fadenspannung durcheinander, die Randmasche verändert sich.




Auch beim x-ten Versuch will es einfach nicht gelingen, hier die Maschen anständig aufzunehmen. Ich komme über einen einigermaßen krakeligen Rand nicht hinaus. Das gestrickte Bündchen sieht ja ganz gut aus, aber der Rand des V-Ausschnitts? Nein danke. Dieser Pulli wird ganz sicherlich das überlaute Etikett selbstgemacht von der Welt da draußen verliehen bekommen. Und das ist nie so nett gemeint, wie es klingt.


Jetzt bin ich zwar die letzte, die etwas gegen kleinere Fehler hat. Damit kann ich ganz gut leben. Aber der gesamte Ausschnittrand? Vorne am Pullover? Das geht zu weit.


Für die Lösung, die mir schließlich eingefallen ist und die ich gerne mit Euch teile, benötigt man dieses kleine und alltägliche Gerät:




Man beginne also am Rückenteil und häkle eine Reihe fester Maschen. Gesagt, getan.


Dann aber kommt mir wieder der V-Ausschnitt entgegen, ich häkle weiter und…das geht ja gar nicht! Das ist ja sogar schlimmer als vorher, denn jetzt sieht man die seltsamen 'Füßchen' der festen Maschen.




Also nochmal Kommando zurück.

Wir beginnen am Rückenteil, häkeln feste Maschen, aber wenn die V-Ausschnittsschrägung in den Blick kommt, dann wechseln wir und arbeiten Kettmaschen durch die Maschen der Schrägung hindurch.






Das geht mit ein bisschen Übung leicht von der Hand und man kann die Schrägung ganz wunderbar nachkontrollieren.


Ordentlich genug?

Genügend Maschen pro Farbrapport?

Passt!




So arbeitet man sich um die Schrägung herum wieder auf die Rückseite. Sobald das Gestrick wieder gerade wird, werden wieder feste Maschen gehäkelt.


Bei der letzten Masche wird die Häkelschlaufe auf eine Stricknadel gelegt. Die Stricknadel deutlich dünner wählen und dann durch die hinteren Schlaufen der Häkelmaschen hindurch einfach die Maschen für den Halsausschnitt aufnehmen.





Weiter geht's in der nächsten Runde mit der normalen Bündchennadel.






Dadurch entsteht eine Art Naht um den Halsausschnitt herum, die ganz gut zu einem V-Ausschnitt passt.



Am V-Ausschnitt



Auf der Rückseite


Und der hässliche Rand mit den ungleichmäßigen Maschen und den vielen Fäden verschwindet im Inneren.



Wer sagt's denn? Da hatte ich tatsächlich mal eine vernünftige Idee.


Jetzt muss ich nur noch die verflixte Mittelmasche schöner stricken. Gute Ideen sind immer willkommen!



Donnerstag, 8. Juli 2021

Kapitel 161 - Lasst uns den Trend umkehren!

Eigentlich klingt es ja ganz einfach. Im Winter ist es kalt, da stricke ich mir einen warmen Pullover und im Sommer ist es warm, da brauche ich ein luftiges Oberteil.

Daran orientieren sich seit vielen Jahren alle großen Garnfirmen und natürlich auch die einschlägigen Publikationen. Alle Influencer, die Rang und Namen haben, zeigen gerade jetzt die neuen Sommergarne und werden uns sicherlich erst im Oktober die neuen kuschligen Winterflauschträume präsentieren.


Das funktioniert mit derselben Regelmäßigkeit, mit der es im November Plätzchenrezepte zu lesen gibt und im Januar die neuesten Diättrends.


Wir sind so daran gewöhnt, dass wir uns sogar wundern würden, wenn es jetzt nicht überall Baumwoll- und Leinengarne zu sehen gäbe. Wir wollen die tollen Qualitäten natürlich auch alle gerne haben, am liebsten schon in das wunderhübsche Oberteil verwandelt, das wir dank großflächiger Werbung ins Auge gefasst haben. Das wär's doch.


Genau darin liegt aber natürlich die Crux an der Sache. Stricken ist so langsam. Es ist sogar gaaaanz laaaaaangsam. Bei mir zum Beispiel und sicherlich auch bei vielen anderen, die ihre Zeit noch mit einem Arbeitgeber teilen müssen, der zwar das Geld für die Wolle bezahlt, aber der natürlich auch etwas für seine monetären Beiträge sehen will.


Also brauche ich für einen Pulli nicht nur eine Woche, sondern mindestens einen Monat, meistens mehr, sodass aus dem Winter ganz schnell der Frühling und aus dem Sommer flugs der Herbst wird.


Nicht zum ersten Mal habe ich einen im Winter begonnenen Schmusepullover erst in der nächsten - und manchmal sogar in der übernächsten - kalten Saison tragen können. Sehr schade!


Ich schlage daher einen Gegentrend vor.

Weg von den sommerlichen Knit-alongs, die wir sowieso nur unter Aufbietung aller Ressourcen bzw. bei sträflicher Vernachlässigung von allen anderen sommerlichen Vergnügungen irgendwie schaffen und stattdessen hin zur antizyklischen Strickbewegung.


Wie wär's denn, wenn man uns im Sommer das neue Flauschgarn mit all seinen neuen Farben vorstellen würde? Dann könnten wir gemütlich auswählen, die Maschenprobe stricken (was sicherlich auch bei hochsommerlichen Temperaturen klappt) und uns vielleicht sogar schon an einen Anschlag wagen.


Meist hat der Sommer ja auch ein paar kühlere Tage, sodass wir gemütlich an unserem neubegonnenn Winterpulli stricken können, damit wir ihn pünktlich zum richtig kühlen Herbst überstreifen können.


Und andersherum genau so. Wer hat nicht nach Wochen der Dunkelheit auf Grund der kurzen Tage Sehnsucht nach der Unbeschwertheit einer lauen Sommernacht? Und was könnte diese Sehnsucht besser stillen als das Wühlen in sommerlichen Farben und Anleitungen? Im Januar angeschlagen, ist das hübsche Top auch sicherlich bis zum Juli fertig.


Das könnte sogar ich schaffen!