Sonntag, 11. September 2016

Kapitel 133 - in dem ich ein Tuch anschlage...(n will)

Es geht los. Ich hab mich von einer Tuchwelle aus den Tiefen des Netzes anstecken lassen, mich innerlich breitschlagen lassen und aus Gründen der Dazugehörigkeit zur Strickgemeinschaft entschlossen, ein Tuch anzuschlagen. Ein riesengroßes, leicht zu strickendes Tuch der berühmten Martina Behm. Und nein, es ist kein Hitchhiker (die Welt braucht nun wirklich nicht noch einen).

Stattdessen soll es ein Nuvem sein. Eine Art dünne Decken-Schal-Jacke, die man bei kühlen Temperaturen mehrfach um sich selbst schlingen kann. Die fertigen Exemplaren der erwähnten Strickgemeinschaft sehen allesamt toll aus. Die hauptsächliche Herausforderung für mich besteht aus der notwendigen Geduld - so viel weiß ich jetzt schon. Glatt rechts. Über Millionen von Maschen. Aber bitte - mit dieser Einstellung einer Mitstrickerin ist alles gesagt: Man soll ein Nuvem nur dann anschlagen, wenn man sich vollkommen im Klaren darüber ist, dass die Arbeit daran mitunter ein Jahr dauern kann.

Ich hab mir also im Strickladen vor Ort ein wunderbares Lacegarn besorgt:


Das ist Juniper Moon Findlay Dappled in der Farbe Uncial. Grau meliert sozusagen und glänzig hübsch. Mein erstes Lacegarn.

Das mit der Mühe hab ich kapiert und will es also versuchen. Es geht los. Mit dem provisorischen Maschenanschlag von nur 145 Maschen.

Kenne ich ja von den toe-up-Socken, ist nicht schwer. Dann mal los. Mmmh, war das jetzt 118 oder 119? Das ist mir zu unsicher. Ach, einfach nochmal.

Das sieht jetzt aber irgendwie zu wabbelig aus, wie das Garn über den Nadeln liegt. So will ich aber nicht losstricken. Gleich nochmal.

Verflixt, jetzt hab ich mich wirklich verzählt und außerdem ist bei einigen Maschen das Garn um beide Nadeln geschlungen. Nee, das wird heute nix mehr. Das mach ich morgen nochmal.

Durchatmen. Es geht wieder los. Alle Maschen sind angeschlagen, die erste Runde gestrickt, die Maschenzahl stimmt wieder nicht. Och nee!

Gibt es denn Alternativen zu diesem irrsinnigen provisorischen unsichtbaren hochgelobten blahblablah Anschlag (von wegen magic). Der funktioniert doch überhaupt nicht mit dieser hohen Maschenanzahl.

Ich versuche die waste-yarn Methode mit Luftmaschenkette. Es ist ein unglaubliches Gepfriemel bei 145 Maschen. Die erste Runde ist zu labbrig. Funktioniert nicht.

Ich versuche den provisorischen Anschlag mit der Verbindungskabelmethode. Funktioniert nicht.

Dieser Nuvem macht mich VERRÜCKT. Warum wollte ich dieses verflixte Tuch nochmal stricken?

Dann steht die Urlaubspackerei an. Ich verlagere alles an das Ufer eines idyllischen Flusses in England und packe nur Nadeln und Garn ein. Bitte, dann klappt es halt nicht mit diesem verflixten Anschlag. Während der Fahrt muss ich sowieso die Karte lesen, da komme ich sowieso nicht zum Stricken. Zum Anschlagen gleich gar nicht.

Angekommen versuche ich es nochmal. Alle 20 Maschen setze ich einen Marker, damit verzähle ich mich wenigstens nicht. Aber ich hatte natürlich nicht bedacht, dass diese Marker ein Problem sind, wenn man die Arbeit teilen muss. Ich werde noch verrrrrückt!!!

Wenigstens geht es den anderen nicht anders. Naja, nicht allen, aber doch einer so großen Menge, dass sich meine Herzschlagfrequenz und die geschwollene Halsschlagader wieder etwas beruhigen können.

OK, letzter Versuch. Die Familie wird aus dem Haus geschickt. Macht ihr mal einen Spaziergang. Ich koche mir eine Kanne starken Tee und setze mich auf die Couch. Das wichtigste Utensil liegt vor mir: der Rundenzähler.

Dann geht es los. In Zeitlupe. Alle 10 Maschen knipse ich den Rundenzähler weiter. Das dauert ewig. Aber am Ende habe ich die korrekte Maschenanzahl.

Ich stricke die erste Runde und es ist nichts wabbelig, es sind immer noch 145 Maschen pro Nadel, es funktioniert!

Dann die ersten paar Runden nach Plan und danach erfüllt sich alles, was mir von dieser Anleitung vorgeschwärmt wurde: supereasy, nur zwei Runden, die sich von selbst stricken.

Marker sind gesetzt, sobald es geht stricke ich mit einer riesenlangen Nadel (120cm) alles in der Runde. Der Urlaub kann beginnen und hat sich, dank Olympia, auch als produktiv erwiesen. So sieht's aus:




Dann kann der Herbst ja kommen!