Das Strickuniversum hat mehrere Mysterien für uns parat. Da gibt es zum einen die unterschiedlichen Stricker-Kategorien. Schon sehr früh, so heißt es, entscheidet sich, ob man ein Projekt-Stricker oder ein Prozess-Stricker ist. Strickt man also, um das verflixte Teil endlich anziehen zu können, oder strickt man, um die Welt und alle Ärgernisse darin im Maschenzählen einfach zu vergessen?
Ein mindestens ebenso verwurzelter Glauben ist die Tatsache, dass der zweite Socken oder der zweite Ärmel einfach nur SCHRECKLICH sind. Auf Englisch gibt es sogar den Begriff des Sleeve Island, also eine einsame Insel, die man nicht verlassen kann, weil ja am Pullover-Stricken die Ärmel den schlimmsten Teil darstellen, der am längsten dauert, weil man ihn am häufigsten aufschiebt. Und so weiter, und so weiter.
Beim Sockenstricken ist es natürlich die zweite Socken, die allen Unmut auf sich zieht und bei der das Stricken weniger aus Erholung, sondern vielmehr aus gähnender Langeweile besteht.
Auf diversen Kanälen werden diverse Litaneien zu diesem Thema heruntergebetet, wieder und wieder, sodass ich mich an dieser Stelle gerne mit einem positiven Perspektivenwechsel einschalten möchte.
Vorab natürlich - warum wird überhaupt so viel Zeit darauf verwendet, die schlechten Seiten des eigenen Hobbys zu beklagen? Das habe ich ja noch nie verstanden. Wahrscheinlich geht es dabei aber um ein ganz natürliches Gemeinschaftsgefühl. Wenn sich alle drüber beschweren, dann muss/will/darf ich ja wohl auch mitmachen.
Wichtiger ist mir aber die Gegenposition. Das Ganze speist sich gerade im Moment auch aus einer Beinahe-Fluchover-Erfahrung mit meinem letzten Pulli.
Zuerst wurde der Ärmel nach Anleitung gestrickt. Zu eng.
Dann wurde der Ärmel gerade heruntergestrickt. Überraschung - zu weit.
Dann endlich, ab Ellenbogen doch Abnahmen gearbeitet, was schließlich und endlich doch dazu führte, dass der Ärmel genau so geworden ist, wie er sein sollte und der Trägerin auch bestens gefällt. Der ganze Ärmel war also drei Mal fast komplett gestrickt worden, bis er endlich fertig war.
Und damit ab zum zweiten Ärmel.
Jetzt müsste also das große Jammern einsetzen. Wie langweilig. Wie lange dauert das denn noch, etc.
Aber mitnichten. Denn beim zweiten Ärmel entfaltet sich doch recht eigentlich wieder die Herrlichkeit eines entspannenden Hobbys. Schließlich hatte ich mir ja ausführliche Notizen zum ersten Versuch gemacht, genügend Maschenmarkierer in den Ärmel gesteckt und alle Reihen mitgezählt, sodass der zweite Ärmel Erholung pur war. Einfach nur die Reihen abhaken und schwupp-di-wupp war alles fertig.
Genau so ist es üblicherweise beim zweiten Socken. Vor allem dann, wenn eine neue Anleitung ausprobiert wird. Hat man beim ersten Mal noch Schwierigkeiten herauszufinden, wie das Muster am besten aufgeht, so geht alles beim zweiten Mal ganz flott von der Hand.
Deswegen würde ich, denke ich, auch niemals den zweiten Socken nicht direkt im Anschluss stricken. Wenn sich da ein Projekt dazwischen schiebt, dann stehe ich nämlich wieder am Anfang und weiß nicht mehr genau, wie ich's am Ende gemacht habe. Dann wird alles unter Umständen doch zum Albtraum.
Da ist es also, das Hoch auf den zweiten Ärmel, auf den zweiten Socken, etc. Die zweite Runde geht viel schneller als die erste und eh man sich's versieht, ist man schon fertig damit.
Wenn's doch aber gar nicht klappen will mit der Motivation, dann gibt es schließlich für die ganz Verzweifelten natürlich noch den ultimativen Überlebenstipp:
Bei allen ähnlichen Teilen: zwei Jackenvorderteile, zwei separat gestrickte Ärmel, etc. -> Immer gleichzeitig mit zwei Knäueln anschlagen. Dann sind erstens alle Abnahmen und Zunahmen mit Sicherheit in derselben Reihe und exakt gleich und zweitens am Ende auch beide Teile auf einmal fertig. Dann kann man sich die Jammerei erst recht sparen. Das ist doch was!