Dienstag, 28. Juli 2015

Kapitel 120 - Sie strickt einen Pullover

Es ist wahr! Ich greife hier im Titel die freundliche Mail meiner freundlichen Leserin Connie auf, die schon auf Ravelry bemerkt hat, dass ich endlich den Schritt gewagt habe.

Ich stricke einen Pullover. Ohne Angst vor langen Reihen linker Maschen und ohne Verzweiflung von der ersten Sekunde an. Wie kam's?

Vor einer ganzen Weile bin ich schon vom Stitch'n'Bitch Virus befallen worden. Die Anleitungen sind es dabei nicht so sehr, die mich so fesseln, aber Debbie Stollers Art zu schreiben ist einfach herrlich! Außerdem habe ich eine Schwäche für diese Bücher, weil ich mich dank ihrer schließlich und endlich an englische Anleitungen gewagt habe. Und wenn dieser Schritt gelingt - davon spricht ja mehr als ein deutscher Strickblog - dann geht das Handarbeitsleben erst so richtig los!

Na, und da will ich jetzt endlich auch mal hin.

Zurück also zum Knitter's Handbook, das nach mehrmaligem Durchblättern dann doch eine Reihe von netten Sachen aufweist, so zum Beispiel einen Kapuzenpullover komplett mit cooler Eingrifftasche vorne. Der hat mir gleich gefallen und ich hab mir kurz entschlossen auch Garn in meinen bevorzugten Farben gekauft. Das war vor ein paar Jahren.






Kaum war das Garn da, ist es erst mal in der Kiste gelandet. Ich wollte (und konnte) nur Socken stricken. Ich hätte aber natürlich jederzeit damit anfangen können, denn ich Schlauberger hatte das Garn ja schon angeschafft.

Tja, und dann ist passiert, was bei mir üblich zu sein scheint: das Garn ist in den diversen Schichten des Wollvorrats immer weiter nach unten gesunken, bis ich es schon total vergessen hatte.

Zum Glück gibt's die anderen Blogger! Diejenigen nämlich, die unerschrocken sogar die schwierigsten Muster abändern und ohne mit der Wimper zu zucken eine Ärmelversion ihrer Wahl einsetzen. Davon kann man wirklich nur eine bestimmte Dosis gebrauchen, bis man anfängt zu denken: na also, ist das wirklich so schwer? Kann ich das nicht auch versuchen? Zumindest irgendwie?

Dabei ist man natürlich auch ein kluger Mensch, der die eigenen Grenzen einschätzen kann. Alles, was an Herrlichkeiten im Netz gezeigt wird, werde ich meiner Lebtag wohl nicht mehr stricken können. Aber zumindest ein Teil davon soll es sein. Und bereits dafür benötige ich eine Lernkurve, die möglichst weit unten beginnen muss, sonst ahne ich den Absturz.

Also: zurück in die 80er (die ja sowieso grade groß in Mode sind) und zurück zu den überschnittenen Schultern. Da werde ich ja hoffentlich nicht auch noch einen Murks fabrizieren.

Der positive Nebeneffekt meiner jahrelangen Sockenmanie ist ja dann doch zum Glück ein wenig Strickerfahrung, die es mir ermöglicht, bestimmte Aspekte der Anleitung (Maschen aufnehmen, zwei Strickteile miteinander verbinden) tatsächlich auf Anhieb verstehen zu können.

Und dann war ich ja auch in einem Kurs, der mir vor allem eines beigebracht hat: Maschenprobe, Maschenprobe, Maschenprobe.

Ich hab also eine Maschenprobe gestrickt, und sogar mit zwei verschiedenen Maschenstärken. Clever abgetrennt durch eine Reihe linker Maschen. Und das Ganze schon ziemlich bald nach dem Kauf der Wolle:


Weniger clever habe ich mir natürlich nicht notiert, um welche Nadelstärken es sich gehandelt hat. Das heißt, ich habe jetzt eine ganze Weile mit dem Studium eines kleines Strickstückerls verbracht, nur weil ich partout keine Lust mehr hatte noch einmal eine Maschenprobe zu stricken. Strafe musste sein.

Für die Zukunft hab ich wenigstens diesen goldenen Tipp ausgegraben: die Nadelstärke wird per Knoten im Abkett- bzw. Anschlagfädchen vermerkt: vier Knoten, Nadel 4mm. Das krieg ich hin!

Jetzt musste ich mir also nur noch einen Mitstreiter suchen, der auch auf dem Weg zum Bekleidungsstricker ist, und dann ging's los:

Zuerst das Rückenteil. Da war nicht viel zu machen, das ging auch flott von der Hand dank diverser Bollywood-Schnulzen (es macht eben Sinn, wenn Filme drei Stunden lang sind - viel Zeit fürs Stricken).


Im Vorderteil ging es schon ein bisschen anders zur Sache, denn hier sollte ja die Tasche angestrickt werden und der Ausschnitt irgendwie überlappend gestaltet werden.

Das hat mich ein paar Abende gekostet, an dem ich nur zwischen Strickzeug und Buch hin- und hergeblickt habe. Und nie war ich so dankbar für die Leertaste am Computer, die so clever und schnell einen Film pausieren kann.

Aber: Tasche fertig.
Und: Ausschnitt asymmetrisch auch fertig. Das war ein bisschen Gefummel beim Aufnehmen der Maschen hinter dem abgeketteten Teil des Vorderteils, hat aber auch geklappt.



Jetzt also die Ärmel. Und hier folgt dann die Strafe für mein Zögern auf dem Fuß. Denn: Es ist ja klar, dass der Effekt einer Kistenhortung von Wolle derjenige ist, dass diese Wolle aus dem Programm genommen wird. (Gah!!! wie der Engländer sagt)

Und ich bin leider nicht Tina, die von ihr geliebten Lord von Lana Grossa so viel vorrätig hat, dass sie locker mehrere Großfamilien einkleiden könnte. Nee, bei mir waren's nur ein paar anhand der Angaben in der Anleitung ausgerechneten Knäuel. Tja, und jetzt stehe ich da.

Zuerst habe ich die Ärmel mit der zu viel gekauften Streifenwolle begonnen. Lieber das Grün am Anfang als oben, wo der Ärmel eingenäht wird, dachte ich mir.



Dann dachte ich mittendrin: Nee, komm, das klappt doch. Haste doch noch zwei ganze Knäuel plus einen Rest vom Vorderteil. Das reicht doch. (Ich gebe ehrlich zu: es war hauptsächlich die Angst vor der Peinlichkeit, zweifarbige Ärmel zu haben, wenn am Ende locker genügend türkisfarbene Wolle für einen dritten Ärmel übrig bleibt. Ich bin komisch!)

Hab dann mit einer anderen Nadel die Ärmel in türkis noch einmal angeschlagen und losgestrickt.

Kaum waren die Ärmel zu einem Drittel gestrickt, überwog die Angst wieder. War doch kein guter Vorschlag. Also zurück zur grünen Variante und die türkisen aufgetrennt.



Und so weit bin ich nun. Ärmel zur Hälfte fertig, es fehlen noch ca. 11 beidseitige Zunahmen, da wird also noch Wolle verbraucht.

Dann folgt dieselbe Qual für die Kapuze, denn auch von lila hab ich nur noch ein ganzes und ein kleines Knäuel übrig. Zur Not habe ich schon einmal im Wollvorrat gewühlt und mir schon ein anderes lila Garn bereitgelegt. Es ist nicht ganz die richtige Farbe, aber was soll ich machen. Die Kapuze soll ja eh nur Schmuck sein und wird wohl kaum getragen. Da geht's vielleicht irgendwie. Und die Ärmel werden eben zur Not grün-türkis-grün, denn fertig werden sie auf jeden Fall.

Und was lernen wir jetzt draus?

Dass Pullis auf jeden Fall bei mir 'Strick ich gleich'-Projekte sein müssen. Auf jeden Fall! Und zusätzlich kaufe ich beim nächsten Mal ne Masse an Reserveknäuel. Was soll mir schon passieren? Bin ja schließlich nicht umsonst in der RestEnd-Gruppe.