Samstag, 29. Januar 2022

Kapitel 171 - Von der Not und der Tugend

Knapp drei Wochen habe ich es jetzt ausgehalten, aber nein, ganz ohne Stricken? Das geht ja gar nicht. Da können noch so viele Leute (aka Ärzte) sagen: "Geben's halt ein bisschen Ruhe. Hören's halt auf mit dem Stricken." Nein, das geht leider nicht. Da wird man ja verrückt.

Was habe ich also getan? Erstmal die lokale Apotheke leergekauft, Schmerzgel forte und einen Riesenpack Sport Tape.

Dann ran an YT und Videos gesucht, die mir erklären, wie man denn nun mit dem Tape umgeht. Und natürlich fleißig zweimal täglich das Wundergel aufgetragen. Hoffentlich hilft's.

Aber am Allerwichtigsten: ich habe mein Stricken umgelernt.

Denn es ist tatsächlich so, dass die verflixte linke Masche schuld ist. Bei dieser Masche nämlich, so hat es sich herausgestellt, wackle ich offenbar gehörig mit meinem linken Handgelenk hin und her, bis sie dann endlich fertig gestrickt und durch die alte Masche gezogen auf die rechte Nadel wandert. Genau das aber geht mir offenbar auf's Gelenk. Mit besonderem Vergnügen offenbar bei kleiner Nadelstärke.

Bei Frau Litzi habe ich dann noch vor Weihnachten gesehen, dass sie offenbar gelenkschonender mit der so genannten osteuropäischen Strickweise arbeitet. Also die linke Masche anders wickelt, sodass die rechte Masche der nächsten Reihe verkehrt bzw. verschränkt auf der Nadel liegt.

Auch Daniela Johannsenova strickt auf diese Weise. Das sieht zwar einfach aus, aber da wird die Umgewöhnung noch etwas dauern, das weiß ich genau. Das Stricken ist einem ja doch über die Jahre in Fleisch und Blut übergegangen - Stichwort muscle memory - und jetzt wieder über jede Masche nachdenken? Mal sehen, ob mir das gelingt.

Was ich allerdings schon vor einer Weile angefangen habe zu üben, einfach weil ich wissen wollte, ob ich das fertig bringe, kommt mir jetzt tatsächlich überraschend gelegen.

Das Stricken auf die englische Art.

Aus zugegebenermaßen sehr eitlen Angebergründen, wollte ich ja schon immer mal in der Lage sein, beim Jacquard-Stricken mit beiden Händen gleichzeitig jeweils einen Faden zu führen. Hauptfarbe auf links, Kontrastfarbe mit rechts. Das sieht so ultra-cool und professionell aus! Und geht offenbar so fix. Und nochmal: es sieht einfach obercool aus.

Damit könnte man sogar diejenigen miesepetrigen Zweifler überzeugen, die Stricken immer noch für langweilig halten. In beiden Händen je einen Faden und daraus ein Textilstück zaubern? Sensationell!

Aber leider: meine Versuche in dieser Richtung waren nie von Erfolg gekrönt. Ganz im Gegenteil, es gab ein ganz schreckliches Kuddelmuddel auf beiden Nadeln, von der richtigen Fadenspannung ganz zu schweigen. Da fehlt also noch einiges zur sensationellen Perfektion.

Daher habe ich den zweifarbigen Versuch schnell wieder aufgegeben und weiter tapfer bei Fairisle-Mustern mit beiden Fäden über dem linken Zeigefinger gewerkelt. Klappt auch, Spannung passt, aber es sieht halt dann nicht so toll aus. (Das Stricken meine ich, nicht das Strickstück)

Aber gleichzeitig habe ich begonnen, immer wenn ich an irgendeiner Stelle in einem Strickstück eine lange Phase glatt rechts vor mir hatte, zu versuchen, ein paar Maschen englisch zu stricken. Also den Faden mit rechts zu führen. Einfach nur, um das Auszuprobieren und ein bisschen zu üben.

Was soll ich sagen? Das Tempo war natürlich grauenhaft langsam, aber wenn man dabei bleibt, dann verändert sich das. Ich bin nach ein paar Monaten über einigermaßen schneckenhaft bis auf das Niveau 'respektabler Anfänger' gekommen. Gar nicht so übel.

Und dann kam mir mein lädiertes linkes Handgelenk dazwischen. Genau zur Geschenke-Strickphase, in der einige Socken noch auf ihre Fertigstellung warteten.

Vielleicht, vielleicht, dachte ich, geht das das ganze Stück ja schon mit rechts. Ganz vorsichtig also, Nadel in die erste Masche gesteckt, dann den Faden um die Hand geschlungen, den rechten Zeigefinger zum pünktlichen Herumschlingen des Garns bereitgehalten und los ging's.

Mit angehaltenem Atem eine Runde an einem Socken zu stricken, das war ja schon viele Jahre her. Ich bin also wieder ein echter Neuling. Aber das Tolle ist:

Es klappt! Mit sechsfacher Sockenwollstärke ist es sogar noch etwas einfacher. Natürlich dauert es ungefähr doppelt so lange wie zuvor, aber es funktioniert! Hurra! Hurra!

Das bedeutet für mich in meiner schmerzvollen Jammerphase natürlich vor allem - ich kann wieder stricken! Stress ade!

Es sind freilich nur kleine Projekte möglich, die Fadenspannung ist immer noch viel zu fest, aber es geht voran! Ich stricke wieder!

Sonntag, 9. Januar 2022

Kapitel 170 - Die Weihnachtsüberraschung

OK, ich gebe zu, das Thema ist schon wieder ein wenig in den Hintergrund gerückt, aber die Auswirkungen sind immer noch zu spüren, und zwar in beide Richtungen.

Gehen wir also ein bisschen zurück und sehen wir nach.

Im Dezember 2021 ist mir dasselbe passiert wie allen Strickerinnen und Strickern auf der Welt. Der Advent hat mich völlig überrumpelt und plötzlich waren alle Vorsätze dieses Jahr auf einmal über Bord geworfen.

Das ist mein Hobby, Stricken dauert sehr lange, und ich stricke nur für mich? Das alles gilt genau elf Monate lang - im Dezember gelten plötzlich völlig andere Regeln.

Die Vlogosphäre wird geflutet von Geschenkideen. Ein Youtuber nach dem anderen zeigt seine Geschenke, seine Geschenkideen, seine Stricküberraschungen und es dauert nicht lange, bis man auf einmal selbst eine kleine Liste anlegt.

Vielleicht doch ein Paar Socken für die Schwester? Ein Paar Handschuhe für die kleinen Neffen? Und eh man sich's versieht, wird die Tapetenrolle länger und länger. Die eigenen Projekte werden nach hinten verschoben und der Schreibtisch füllt sich mit halb begonnenen Kleinprojekten, die schnell noch fertig werden müssen, denn der Weihnachtsabend nähert sich wie jedes Jahr mit Riesenschritten.

Tja, und dann besucht man seine Eltern, schlendert ein bisschen ziellos durch das Handarbeitszimmer (meine liebe Mutter ist Patchworkerin und hat nach Jahren endlich Platz für ihr Hobby) und findet eine geheimnisvolle Tüte.

Das war drin:





Eine halbfertige Häkeldecke in Blockstreifen. Wenig überraschend war es auch einmal ein Weihnachtsgeschenk gewesen, aber dann hatte sie die Häkellust - neudeutsch Mojo - verlassen.

Ursprünglich sollte es eine kleine Kniedecke werden, aber so weit kam sie nie.

Auch ein zweiter Versuch mit ein paar Granny Squares brachte nicht den gewünschten Erfolg:



Damit war's natürlich sofort um mich geschehen.

  1. Eine Kniedecke ist tatsächlich das perfekte Geschenk für einen Mann (= meinen Vater), der mehr und mehr Zeit mit dem Lesen von Büchern und Zeitungen verbringt.
  2. und - sind wir mal ehrlich - noch wichtiger: Das war die perfekte Entschuldigung für mich, doch endlich am Decken-KAL von Kikos Strickschule mitzumachen - die Optic Blanket.

Das ganze vergangene Jahr über habe ich jede Woche den Fortschritt dieser Decke im Podcast bewundert, bin aber doch stark geblieben. Nicht noch eine Decke anfangen. Erst die eigenen Projekte beenden. Eine gestrickte Decke? Das schaffe ich ja nie.

Aber jetzt: eine Kniedecke? Das kann ich doch schaffen.

Mit Kikos Tutorial war das erste Fleckchen schnell gestrickt:



Tja, und dann war ich nicht zu halten. Die Farben passten super zusammen für einen wirklichen Op-Art-Effekt und das Aneinanderstricken der Fleckchen hat so viel Spaß gemacht! Keine Nähte!

Es stand viel weniger Dunkelblau als Creme zur Verfügung, aber für zwölf große Flecken hat es noch gereicht. Und mit einem breiten Häkelrand wurde die Decke groß genug:



Das perfekte Geschenk!

Wenn nur der zweite Effekt nicht wäre. Ganz entgegen meiner Planung habe ich also im Dezember non-stop gestrickt. Weil die Decke natürlich einen festgeschriebenen Liefertermin hatte und weil das Stricken so viel Spaß gemacht hat.

Dafür muss ich im Januar jetzt leider Pause machen. Das Handgelenk macht sich bemerkbar und ist wieder mit Stulpe und Dehnungsübungen ruhig gestellt.

Aber dann habe ich wenigstens Zeit meine Tapetenrolle für 2022 zu überdenken! Es ist Januar und wenn gestrickt wird, dann wieder nur für mich. Bis zum nächsten Dezember wahrscheinlich ;-)