Sonntag, 30. September 2012

...wo es endlich ums Lesen geht

Die Überschrift soll ja weniger großspurig als vielmehr wahr sein. 

Lesen spielt in der Tat eine wesentliche Rolle, mal mehr, mal weniger, nach einem Wochenende auf einem Buchmarkt notwendigerweise wieder mehr.
Dabei kann ich, so gern ich dies tun möchte, gar keine richtige Antwort auf die Frage geben, welches Genre mich besonders interessiert. Ich lese vor allem Romane, diese aber querbeet und auf Grund der beiden Damen auch zwangsläufig wieder mehr Kinder- und mittlerweile schon Jugendliteratur.

Da muss natürlich eine gewisse Sammlung schon vor-angelegt sein, für den hoffentlich eintretenden Fall, dass sich beide zu großen Leseratten entwickeln. Also die Regale sind gefüllt, jetzt müssen sie eigentlich nur noch lesen lernen.

Wenn man dabei aber auch das Stricken im Kopf hat, dann stolpert man immer wieder über besondere Perlen, z.B. solcher Art:



Hier "strickt" Herr Lavendel einen Schal aus warmen Worten. Was Besseres kann man sich für ein Telefongespräch kaum vorstellen. Wie lange dieser Schal wohl warm hält?

Aus einem Blog bin ich auf folgendes Buch aufmerksam geworden und hab es gleich bestellt. Zwar auf Englisch, aber der Text ist insgesamt so kurz, dass ich es für die Damen auch übersetzen kann, wenn wir es zusammen ansehen (ich will ja schließlich nicht nur Leserinnen, sondern auch Strickerinnen aus ihnen machen):





Und darum geht es eigentlich, wie der Klappentext deutlich macht:

Das Buch gibt es z.B. hier.



Aber bei den Bilderbüchern alleine bleibt es ja nicht. Vor einer ganzen Weile habe ich ein Buch gelesen, das mich eine Menge Zeit gekostet hat. Es war nicht einfach geschrieben, und zwar vor allem deshalb, weil es sich fast nur im Seelenleben der beiden Protagonisten abgespielt hat.




Ein Entdecker aus Deutschland und ein Mädchen aus Australien lernen einander kennen und fortan kreisen die Gedanken der beiden umeinander während ihre Leben aber weitergehen, also der Entdecker den Kontinent zu durchqueren versucht und das Mädchen Laura in Sydney weiter in der viktorianischen Gesellschaft lebt. Das ist gedankenschwer, aber auch sehr suggestiv geschrieben, man wird es lange nicht los.

Vor allem auch deshalb, weil man immer wieder Sätze findet, die man sich am liebsten herausschreiben würde, so treffend sind sie, ein so schönes Bild malen sie. Beispiel S. 194:



Hier heißt es in der Mitte der Seite: "Spiders had sewn the bushes together."

Was für ein wunderbares Bild für den Herbst, wenn man durch den länger anhaltenden Tau die Netze so viel deutlicher sieht.

Ich weiß nicht, wie es in der deutschen Übersetzung heißt. Wenn man es eins-zu-eins übersetzt, müsste dort stehen:
"Spinnen hatten die Büsche zusammengenäht."

Aber ist es nicht viel logischer und vor allem hübscher, wenn man davon spricht, dass sie "zusammengewebt" oder gar "zusammengestrickt" worden sind?

Den Abschluss bildet heute ein Bild der etwas kitschigeren Sorte. Karten dieser Art habe ich bisher nur in England gefunden und von dort hat sie mich auch erreicht. Schade, dass ich sowas hierzulande noch nicht gefunden habe. Das würde unseren Granden hier auch gut zu Gesicht stehen, wen hätten wir denn da? Goethe neben Schiller und Thomas Mann und???




Hier steht, deutlich zu sehen, Wilkie Collins neben Shakespeare (leider am undeutlichsten), neben Buchanan und schließlich Tennyson. Gelesen habe ich nur Collins ganz. Shakespeare zum Teil und Tennyson ein paar Gedichte. Bei Buchanan wird es sehr dünn...

Vielleicht muss man sich mit der Auswahl aber gar nicht so anstrengen. Vielleicht geht es ja nur um das Cover...

Ein Nachsatz:
Diese Woche, also 30.09 bis 06.10.2012 ist "Banned Books Week". Nähere Infos hier und hier.

Nächstes Mal ist wieder Stricken dran.

Mittwoch, 26. September 2012

Endlich eine Dienstagsfrage...am Mittwoch...oder doch erst am Donnerstag?


Die verstrickte Dienstagsfrage 39/2012

25SEP
Warum bloggst du und wie bist du überhaupt dazu gekommen?
Was motiviert dich dazu und worüber freust du dich dabei?
Welchen Blog besuchst du am liebsten?
heute also eine Frage vom Wollschaf
Das ist ja quasi die Sinnfrage schlechthin. Darüber habe ich mit zwar schon Gedanken gemacht, aber mit dieser Ausführlichkeit... mal sehen, was herauskommt bei einer solchen Selbstbetrachtung:

Ich blogge eigentlich, um ein regelmäßiges Schreiben auszuprobieren. Wie schon berichtet, war ich viele Jahre ein begeisterter Briefschreiber und das vermisse ich sehr. Ich kann/könnte das zwar heute immer noch machen, aber Antwort gibt es doch nur an Weihnachten mit einem Zweizeiler.

Tagebuch schreiben hab ich mehrmals versucht, aber so ganz ohne Antwort? Das ist nix für mich.
Da bleibt als nächstbestes (zur E-Mail) also der eigene Blog.

Von Blogs bin ich fasziniert, was und wie die Leute über sich und ihre Projekte und Ideen schreiben, ist schon unglaublich. Vor allem aber ist es eben eine ganz clevere Kontaktmöglichkeit. 

Bevor ich angefangen habe, hab ich typischerweise furchtbar lange hin- und herüberlegt (s.u.). Diverse zu diesem Thema gekaufte Hefte können das sogar beweisen:



Man beachte das Jahr: 2007

Als endlich dann auch die so genannten Rahmenbedingungen stimmten: Mädels im Kindergarten, eigener Rechner mit Internetzugang und nicht zuletzt genügend Mumm, sich auch mitten hinein in die Blogwelt zu stürzen, hab ich einfach angefangen.

Letzteres bezieht sich auf meine Stimme im Kopf, die ziemlich laut werden kann mit ihren negativen Äußerungen ("Ach, das wird doch nix, du hast doch nix zu sagen, du strickst ja gar nicht so viel, etc.") Jetzt hab ich also endlich beschlossen, diese Stimme ein für allemal auszublenden und bin kopfüber rein in dieses Abenteuer.

Ich freue mich, wenn ich nach vielem Herumgebastele einen Text fertig habe, der entfernt an eine Kolumne erinnert, der vielleicht sogar manchmal ein bisschen witzig ist oder zumindest ehrlich und den ich dann gerne veröffentliche.

Außerdem freue ich mich natürlich unglaublich, wenn ich merke, dass die Klicks auf meine Seite nicht alle von mir selber stammen können, sondern dass es draußen in der Welt Leute gibt, die sich, wenn auch nur für ein paar Sekunden, ansehen, was ich zu schreiben habe. Der Wahnsinn!

Und natürlich bin ich auch selbst Blog-Leser, mehr oder weniger regelmäßig. Für mich war vor allem der Blog von der Yarn Harlot eine echte Offenbarung. Hier gelingt es jemandem, superwitzig und kenntnisreich über das Thema Stricken, das mich selbst so beschäftigt, zu schreiben. Sie nennt das 'knitting humour' und hat die verschiedensten Begriffe in diesem Bereich geprägt, wie z.B. das SSS (second sock syndrome). 
Seit ich über ihren Blog in einer Strickzeitschrift (!) gelesen habe, bin ich treuer Fan.

Dann lese ich ziemlich regelmäßig auch Tina Hees' Blog, sie hat sich ja eine unglaubliche Mühe gemacht, alle möglichen hilfreichen Tipps und Tricks zu sammeln und tut dies auch in ihren Einträgen regelmäßig. Toll!

Tja und dann klick ich mich immer mal wieder so durch, lese hier und da, deutsch und englisch und bin immer wieder begeistert, wenn ich was Tolles finde. Und ärgere mich natürlich, dass ich nicht früher damit angefangen habe.
Aber: diese Menge an Blogs macht auch wirklich Mut!

Vielen Dank an alle, die hier echte Strickpower ins Netz bringen.

Sonntag, 23. September 2012

Die Vergangenheit ist nicht tot...



...sie ist nicht einmal vergangen. Faulkner in einem Strickblog? Was ist passiert?

Ein fataler Besuch bei Oma und Opa, mehr nicht. Um den beiden Damen eine Freude zu machen, fährt man an einem sonnigen Herbstnachmittag zum Haus seiner Kindheit und wird prompt von dieser eingeholt. Es stellt sich heraus, dass es da noch einen Schrank in einem weniger genutzten Teil des Hauses gab, der mit Kisten und Schachteln vollgestopft war, die man selbst vor vielen Jahren dort deponiert hatte. Oh je.

Es sollte der Nachmittag der Wahrheit werden - mit einem ganzen Kofferraum von ehemaligen Magazinen, Postern und vor allem Briefen fuhren meine Mädels und ich wieder nach Hause und das darauf folgende Wochenende stand also weniger im Zeichen des Sortierens des eigenen Krams, schließlich hat man sich nicht umsonst schon vor einer Weile mit Karen Kingston beschäftigt, nein, stattdessen war Kram dazugekommen, mit dem man selbst (und vor allem der dazugehörige Mann) nicht mehr gerechnet hatte.

Nicht mehr lange, und ich muss mir hier ein Einzeltraining buchen... (keine Angst, die Dame spricht Deutsch!).

Am Anfang macht das Zerreißen ja noch Spaß, 'haptisches Erlebnis der Loslösung' usw., aber kurz darauf fragt man sich, warum man bislang immer so einen großen Bogen um die vielfach angebotenen Papiershredder gemacht hat? Was hat denn das nun wieder tiefenpsychologisch zu bedeuten?

Rein körperlich war ich dann schnell im Zustand einer Gelenkstarre. Warum musste ich auch meine gesamte Korrespondenz seit ca. 1980 inklusive aller Zettel, die man so in der Schullangeweile über die Bänke hin- und herschrieb, aufheben? Keine Ahnung!

Aber dafür weiß ich genau, dass ich nächstes Mal extra früher aufstehe, wenn irgendwo wieder ein Shredder angeboten wird!!!

Für den Stricker im Jahre 2012 kommen die Spätfolgen hinzu: wie soll ich auch nur annähernd meinen heutigen Wollvorrat managen können, wenn ich zu so etwas fähig war bzw. womöglich immer noch bin? Dieses Thema wird mich noch beschäftigen, das fühle ich.

Ein Glück, dass es neben Faulkner auch meine liebe Großmutter gab, die immer sagte: "Selten ein Schaden, wo kein Nutzen dabei ist." Und genau so ist es auch hier.

Ein paar Perlen waren in dem Blättermeer zu finden, allen voran ein Foto in einer Schulchronik, bei der es um Abschlussfahrten nach Rom ging. Bei einer Klosterschule war natürlich auch eine Papstaudienz mit auf dem Programm.


Goldene 80er Jahre. Ob die wussten, dass sie hier kipping machen?

Schließlich aber auch ein Handarbeitsheft, das es meines Wissens gar nicht mehr gibt:




Meine eigene Leidenschaft für das Thema reicht offensichtlich viel weiter zurück, als ich zunächst angenommen hatte. Ist der Preis nicht unfassbar? Leider sind es die Modelle aber auch.

Das Beste kommt wie immer zum Schluss, auch hier ein schon vergessenes Heft, mit einem Fantasiepreis, aber gar nicht so üblen Modellen, wenn man die Schnitte ein wenig ändert.

Überschnittene Schultern sind eben nicht für jeden etwas. Aber was ist, wenn man sie einfach in Ganseys umbenennt?








Diese letzte Jacke finde ich super, vor allem den Zopfmusterstreifen, so eine hätte ich wirklich gerne.
Aber der Ärmelausschnitt? 

Als Januarheft passt diese Verena-Ausgabe sogar wunderbar in die Jahreszeit.

Ihre unfreiwillige Komik bei Abendmode und Partnerlook-Modellen tut natürlich ein Übriges.
Mein Fazit: Das Heft geb' ich nicht wieder her!!!



Man sieht es durch die Mähne nur schlecht, aber es ist ein Lakai, der eine massive Torte trägt, in Lurex!
Ein Geburtstagspullover?


Nicht nur Pulloverkoordination, nein die gesamte Garderobe ist aufeinander abgestimmt und bedeutungsschwanger durch die floralen Motive... Aber ich bin schon still.





Dienstag, 18. September 2012

Tapetenrolle und Gutscheine

Von diesem Thema war hier bereits die Rede.

Es scheint aber ohnehin gerade in der Luft zu liegen, wenn man sieht, was auf anderen Seiten so los ist (ich meine den 14. September).

Aber was soll der Stricker auch tun, wenn Weihnachten ständig näher rückt, wenn diverse KALs auf Ravelry im September neu beginnen und wenn immer mehr neue Strickzeitungen erscheinen?

Einerseits ist das wunderbar, wann hatte es zuletzt eine solche Fülle an Auswahl, an Material und an Möglichkeiten gegeben?


Aufgewachsen mit den notorisch-bekannten INOX-Nadeln, mit genau zwei Pulloverformen (= überschnittene Schultern und Fledermausärmel), sowie Garn, das bei jeder Bewegung haart wie Katzen nach einem langen Winter, bin ich mir natürlich dessen bewusst, dass es sich um selige Zeiten handelt und dass dieses Hobby endlich da angekommen ist, wo es schon lange hingehört hätte.


Aber man wäre ja kein Mensch, wenn man nicht wieder irgendetwas fände, worüber man sich beschweren könnte.

Im Englischen queue genannt wird, gibt es also eine kleine Schlange (!), die hier unser aller Paradies munter durcheinander bringt:

Es ist die wunderbare 


.


Das Wort habe ich zuallererst in einem Strickladen gehört, danach aber dann ständig davon gelesen. Das Bild passt ja vor allem deshalb besser, weil sie sich - zumindest in meinem Kopf - ja auch ständig auf- und wieder zurollt.

Genau so, wie ich überhaupt keinen Stricker (außer Gabi, meinem schlechten Gewissen, und sie hat nach eigenen Angaben gerade zwei Sachen auf der Nadel) kenne, der streng jeweils ein einziges Projekt beendet, bevor er ein Neues beginnt, kenne ich niemanden, der jeweils nur für ein weiteres Projekt vorausplant.
Geht ja gar nicht.

 Meine persönliche Tapetenrolle ist ca. fünf Meter lang, grob geschätzt. Bislang halte ich mich streng von der Funktion "queue" auf Ravelry fern - zu viel Angst vor dem Schwarz auf Weiß-Beweis, dass ich locker mein Leben sowie das meiner strickenden Nachkommen bis ins siebte Glied verplant habe. 

Das geht ja so einfach. Ein einziger unvorsichtiger Blick in den Wollvorrat lässt sie nämlich jedes Mal automatisch um weitere 30cm anschwellen. 




Zu viele Versuchungen.

Jedesmal, wenn ich physisch auch nur in der Nähe eines Wollladens bin, kommt es zu weiteren 80-100cm Mindestwachstum und von der folgenden Ankündigung habe ich noch gar nicht gesprochen:

Klicken auf eigene Gefahr


Das Beste kommt wie immer zum Schluss. Auf Grund einer behandlungsbedürftigen Entscheidungsschwäche bin ich sogar immer noch im Besitz von Folgendem:





Unglaublich, aber wahr.

Gebt mir Rollen, gebt mir Papier...

Montag, 10. September 2012

Ich bin ein...

tja, was denn nun eigentlich? Als notorischer Tiefstapler würde ich mich als jemand bezeichnen, der gerne vor sich hinstrickt, der 'das' ganz gerne macht, dem das Stricken (unter vielen verschiedenen Aktivitäten) Spaß macht.

Im Geheimen ist Stricken das meditative Hobby mittels dessen man seine kreative Ader ausleben kann und wieder runterkommt, wenn einen das Leben mit seinen verschiedentlichen Unwägbarkeiten wieder einmal in einen Geisteszustand gebracht hat, den man ungern auf Dauer beibehalten würde. Schon Katharina Buss hat in ihrer Strickbibel im Vorwort deutlich gemacht, was dieses Hobby eigentlich leisten kann: Stricken beruhigt die Nerven!
Genau so ist es und kein in die Ecke geworfener Socken oder mit Riesenwut im Bauch aufgetrennter Ärmel ändert daran etwas. Man kann ja zur Not immer noch das einfache Glatt-Rechts-Strickstück herauskramen und ein bisschen daran weiternadeln.

Schließlich ist es eine Möglichkeit, mit den Händen tätig zu werden und daraus Energie zu ziehen, während man doch jobmäßig eher wenig manuell unterwegs ist.

Und das Wunder des Strickens tut sein Übriges. Schon vor Jahren hat Victor, als er noch wirklich strickgebloggt hat, erkannt: mit diesem Hobby ist man in der Lage, aus einem langen Faden ein richtiges Kleidungsstück herzustellen. Wenn das nicht cool ist!

In der Öffentlichkeit sagt man das alles aber nicht, sondern bezeichnet sein Hobby eher tiefstapelnd so wie eingangs beschrieben. Auch auf die sicherlich nett gemeinten Ausrufe: "Ach, du bist eine Strickliesel!" antwortet man freundlich lächelnd und geht dabei nicht weiter in die Tiefe. Würde eh nichts bringen.

Sogar diejenigen, die hierzulande stricken, sind manchmal nicht immer von der Bedeutung ihres Hobbys überzeugt. Ich erinnere mich an eine Episode im Wolle Rödel, unterwegs mit meinem Zwillingswagen, den ich dort glücklicherweise durch die Eingangstür schieben konnte.
Nachdem ich mich endlich nach langem Fühlen und Drücken und Hin- und Herüberlegen für meine Wolle entschieden hatte, wurde ich an der Kasse von anderen Kunden angesprochen, die einen Blick auf meinen vollen Kinderwagen geworfen hatten: "Und da haben Sie noch Zeit zum Stricken?"

Das erste und einzige Mal ist mir an dieser Stelle die richtige Antwort eingefallen: "Stricken muss man." Darauf konnten sie nur zustimmend antworten und ich hab meinen Wagen und mich mit einem wahren Hochgefühl wieder aus dem Laden bugsiert.

Da lobe ich mir doch die englischsprachigen Strickblogs. Hier sprüht es nur so vor offenem Bekenntnis zu einem kreativen Hobby. Gesunder Optimismus ist auf jeder Seite zu lesen und das Stricken wird gar als Lebensform oder Land, in das man reisen kann (hier z.B.), bezeichnet. Wenn man die Profilangaben so nebeneinander stellt, fühlt man sich wie in Paris oder Berlin, so viele Designer und Kreativschaffende auf einmal.

In Büchern wie der Stitch'n Bitch-Reihe oder in Online-Magazinen wie der knitty.com werden alle Stricker, die selbst ein bisschen vor sich hingestrickt haben, und wenn es nur an einem einfachen Rippenschal gewesen ist, ganz selbstverständlich als Designer bezeichnet. Auch im Strickerfacebook (!!!) kann sich jeder Teilnehmer als Designer registrieren lassen und seine Modelle anbieten. Einfach so.

Tja, und das habe ich jetzt auch versucht. Mit klopfendem Herzen eine einfache Anleitung auf Englisch und Deutsch verfasst, das Modell dann aus Panik und übereilter Hast als Doublette und schließlich dreifach gespeichert. Endlich doch einen Link zum Download hinzugefügt und massenweise sticky notes an die Webmaster geschickt, damit sie das Falsche wieder löschen. Ein paar Anmerkungen zum Modell geschrieben und das Ganze gespeichert. 




Und jetzt? Jetzt bin ich ein Designer. Wenn das meine Oma wüsste...

(Die Socken heißen Ripperl. Ich hab ja gesagt, dass es nur etwas Einfaches ist.)

Montag, 3. September 2012

Krankheitsbilder

Mein schlechtes Gewissen heißt Gabi. Sie ist die Kindergärtnerin meiner Tochter und eine bewunderungswürdige Dame in jeglicher Hinsicht. In allen textilen Arbeiten versiert, bildet sie sich vor allem im Filzen ständig fort und kreiert Werke, die man nur bewundern kann. Was das Stricken betrifft, so ist sie zu meinem persönlichen Leuchtturm geworden.

Stricker leiden ja gemeinhin an verschiedenen Krankheiten, allen voran die Anfangeritis, die schon vor Jahren von der bekannten Strickerin Stephanie Pearl-McPhee in diesem Buch ausführlich beschrieben worden ist. Diese Krankheit hat einen immer dann erwischt, wenn man auf Grund der Fülle der Anleitungen und der Herrlichkeiten der Wolle gar nicht anders KANN, als mehr als ein Projekt anzuschlagen oder die gerade eben gekaufte, neue frische Wolle einfach schon einmal auszuprobieren.
Nur ein paar Reihen. Nur eine kleine Maschenprobe. Nur das Bündchen.

Kaum hatte ich davon gelesen, musste ich zugeben: ja, auch ich bin ein Opfer dieser Krankheit. Hatte eine ganze Reihe von Projekten gleichzeitig auf den Nadeln, und wollte täglich noch einige dazu anschlagen.
Auch die Tatsache, dass die Nadeln einer bestimmten Stärke inflationär verschwanden und neu gekauft werden mussten, konnten mich nicht davon abbringen. Das lag ja schließlich daran, dass ich endlich die Methode mit den zwei Rundstricknadeln für mich entdeckt hatte, und da braucht man eben pro Projekt zwei Nadeln derselben Stärke. Das macht dann schon mal 6 (oder 8 oder 10?) Nadeln Stärke 3mm Länge 60 cm. Alles im grünen Bereich.

Dann erschien in der Verena Stricken im Frühling 2010 eine Kolumne zum Thema WiPs, also der unfertigen Objekte (WiP = Work in Progress = Arbeit, die noch andauert), die in manchem Strickkorb so vor sich hin vegetieren. Die Kolumnistin empfahl, die Menge dieser Arbeiten auf 10 zu reduzieren und hatte dann eine ganze Reihe von Tipps auf Lager, wie man insgesamt mit dieser Menge umgehen sollte. Perlen des Zeit-Managements!
Jeden Tag ein anderes Projekt (7 Fortschritte pro Woche).
Jeden Tag 10 Minuten pro Projekt. (alles wächst gleichmäßig)
und einiges mehr...

Kaum hatte ich davon gelesen, begann ich zu überschlagen, wie viele Projekte ich da so auf der Nadel hatte und kam auf locker über 10. Den Wollvorrat durchwühlen und eine Liste anlegen, war eins. Endlich sollte ich wissen, wie viele es denn nun WIRKLICH sind. Um mich zu beruhigen und gegen den Schock zu wappnen, hab ich gleich noch ein paar Socken angeschlagen. Nur ganz einfache Rippen, die zählen ja fast gar nicht.
Na bitte, alles halb so wild. Nur ein paar Pullis für meine Mädels (mit Zwillingen kommt man da schnell auf eine beachtliche Zahl, aber der zweite geht ja eh viel schneller), Mützen und passende Handschuhe. Kein Problem.

Dann sind da noch so schlafende Hunde, wie z.B. ein paar Herrensocken, die noch auf ein kleines Stickbild auf dem zweiten Socken warten. Die sind ja EIGENTLICH schon fertig! Die zählen ja gar nicht mit!




Außerdem ist es doch amüsant, zu lesen, dass andere Leute ähnliche Probleme haben. Ich bin eben ein ganz normales Mitglied der internationalen Strickgemeinde (wenn das kein Titel ist!).

Tja, und dann hab ich mit besagter Gabi, Handarbeitsexpertin und Strickvorbild ein Gespräch geführt. Ganz zufällig, zwischen Tür und Angel, beim Abholen der Kinder. Ich hab noch einen Witz gemacht über meine vielen Projekte, die ich so nebenbei zu Hause anhäufe.
Tja, und dann hat sie den entscheidenden Satz gesagt:
"Also ich stricke immer erst ein Projekt fertig, bevor ich ein neues beginne, das habe ich immer so gehalten!"

Da stand ich. Wurde rot wie eine Schülerin und wusste gar keine richtige Antwort zu geben. Was für ein Disziplinwunder.

Seitdem begleitet mich dieser Satz immer dann, wenn ich in Versuchung bin, etwas Neues anzuschlagen. Ich überlege dann: Gibt es nicht etwas, was ich stattdessen beenden könnte? Irgendetwas? Woran scheitert es, dass ich nicht weiter komme? Wie komme um die Klippe herum?

Natürlich bin ich nicht ganz so ehrlich und für jedes WiP, das ich von dieser Liste streiche, schlage ich ein neues an: 



Aber: ich führe diese Liste und versuche sie auch regelmäßig zu aktualisieren.

Tatsache ist, dass Gabi dafür gesorgt hat, dass ich zeitweilig von einer anderen, einer viel selteneren Strickkrankheit befallen worden bin, der 'Beenderitis', ebenfalls beschrieben in oben genanntem Buch. Eine Krankheit, die so manch einer gerne hätte und die dazu führt, dass sich die fertigen Objekte plötzlich auf wundersame Weise vermehren.

Dies ist die einzige Krankheit, die ich guten Gewissens empfehlen kann.