Im Geheimen ist Stricken das meditative Hobby mittels dessen man seine kreative Ader ausleben kann und wieder runterkommt, wenn einen das Leben mit seinen verschiedentlichen Unwägbarkeiten wieder einmal in einen Geisteszustand gebracht hat, den man ungern auf Dauer beibehalten würde. Schon Katharina Buss hat in ihrer Strickbibel im Vorwort deutlich gemacht, was dieses Hobby eigentlich leisten kann: Stricken beruhigt die Nerven!
Genau so ist es und kein in die Ecke geworfener Socken oder mit Riesenwut im Bauch aufgetrennter Ärmel ändert daran etwas. Man kann ja zur Not immer noch das einfache Glatt-Rechts-Strickstück herauskramen und ein bisschen daran weiternadeln.
Schließlich ist es eine Möglichkeit, mit den Händen tätig zu werden und daraus Energie zu ziehen, während man doch jobmäßig eher wenig manuell unterwegs ist.
Und das Wunder des Strickens tut sein Übriges. Schon vor Jahren hat Victor, als er noch wirklich strickgebloggt hat, erkannt: mit diesem Hobby ist man in der Lage, aus einem langen Faden ein richtiges Kleidungsstück herzustellen. Wenn das nicht cool ist!
In der Öffentlichkeit sagt man das alles aber nicht, sondern bezeichnet sein Hobby eher tiefstapelnd so wie eingangs beschrieben. Auch auf die sicherlich nett gemeinten Ausrufe: "Ach, du bist eine Strickliesel!" antwortet man freundlich lächelnd und geht dabei nicht weiter in die Tiefe. Würde eh nichts bringen.
Sogar diejenigen, die hierzulande stricken, sind manchmal nicht immer von der Bedeutung ihres Hobbys überzeugt. Ich erinnere mich an eine Episode im Wolle Rödel, unterwegs mit meinem Zwillingswagen, den ich dort glücklicherweise durch die Eingangstür schieben konnte.
Nachdem ich mich endlich nach langem Fühlen und Drücken und Hin- und Herüberlegen für meine Wolle entschieden hatte, wurde ich an der Kasse von anderen Kunden angesprochen, die einen Blick auf meinen vollen Kinderwagen geworfen hatten: "Und da haben Sie noch Zeit zum Stricken?"
Das erste und einzige Mal ist mir an dieser Stelle die richtige Antwort eingefallen: "Stricken muss man." Darauf konnten sie nur zustimmend antworten und ich hab meinen Wagen und mich mit einem wahren Hochgefühl wieder aus dem Laden bugsiert.
Da lobe ich mir doch die englischsprachigen Strickblogs. Hier sprüht es nur so vor offenem Bekenntnis zu einem kreativen Hobby. Gesunder Optimismus ist auf jeder Seite zu lesen und das Stricken wird gar als Lebensform oder Land, in das man reisen kann (hier z.B.), bezeichnet. Wenn man die Profilangaben so nebeneinander stellt, fühlt man sich wie in Paris oder Berlin, so viele Designer und Kreativschaffende auf einmal.
In Büchern wie der Stitch'n Bitch-Reihe oder in Online-Magazinen wie der knitty.com werden alle Stricker, die selbst ein bisschen vor sich hingestrickt haben, und wenn es nur an einem einfachen Rippenschal gewesen ist, ganz selbstverständlich als Designer bezeichnet. Auch im Strickerfacebook (!!!) kann sich jeder Teilnehmer als Designer registrieren lassen und seine Modelle anbieten. Einfach so.
Tja, und das habe ich jetzt auch versucht. Mit klopfendem Herzen eine einfache Anleitung auf Englisch und Deutsch verfasst, das Modell dann aus Panik und übereilter Hast als Doublette und schließlich dreifach gespeichert. Endlich doch einen Link zum Download hinzugefügt und massenweise sticky notes an die Webmaster geschickt, damit sie das Falsche wieder löschen. Ein paar Anmerkungen zum Modell geschrieben und das Ganze gespeichert.
Und jetzt? Jetzt bin ich ein Designer. Wenn das meine Oma wüsste...
(Die Socken heißen Ripperl. Ich hab ja gesagt, dass es nur etwas Einfaches ist.)
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