Montag, 27. Mai 2013

Alte Liebe...

Meine große Liebe ist Jacquard (oder neudeutsch Fair Isle). Schon immer gewesen. Diese Möglichkeiten. Diese Farbkombinationen. Diese tollen Muster. Da geht mir das Herz auf.
Große Bewunderung für Herrn Jacquard,


der diese Technik erfunden hat.

Da ist es ja ganz klar, dass ich das selber auch können möchte. Und am liebsten überhaupt nur noch in dieser Art und Weise stricken will.

Aber tja, hier kann man mal wieder sehen, was Wunsch und was Wirklichkeit ist.

Denn Jacquard ist einfach s*schwer! Das sieht alles so leicht aus, aber ehrlich, zwei Fäden jonglieren, vielleicht sogar noch mehr, ohne sich einen Finger abzubrechen? Unmöglich!

Das sage ja nicht nur ich alleine. Ich zitiere mal aus der internationalen Strickliteratur:

Debbie Stoller sagt: "Let me be honest with you: I don't especially like Fair Isle knitting. Despise it, actually. Yet quite beautiful fabric can be made with this technique." (S. 93)

Na, und warum hasst sie es wohl so? Genau, weil es so schwer ist!

Stephanie Pearl-McPhee sagt: "I wanted to be able to do two-color knitting with two hands, and since I've always carried the yarn only in my right hand, my left hand needed to be taught a lesson. I sat down to work it out, and I sat down with confidence. [...] The minute I put the yarn in my left hand the whole thing fell apart. Not just apart where you carry the yarn, either; the entire system came apart. Every knitting skill I had ever had just dissolved." (S. 42f.)

Warum fliegt hier der kultigsten Strickerin auf dem Planeten ihr Projekt um die Ohren? Genau, weil es einfach nicht möglich ist, die beiden Fäden in jeweils einer Hand zu halten und NICHT verrückt zu werden.
Woher ich das weiß? Ach, einfach geraten...

Offensichtlich bin ich also nicht alleine.

Schließlich habe ich die Methode aus meiner Strick-Bibel (jetzt OZ-Verlag) probiert, und zwar beide Fäden über den linken Zeigefinger, einmal von vorne nach hinten und einmal von hinten nach vorne. Das ist ungewöhnlich, aber es geht.
Einigermaßen.

Denn, ich stricke ja fest, bin also eine der vielen Brettstrickerinnen, wie es so schön heißt. Nicht so gut für Jacquard.

Meine ersten Versuche, zwei Babypullis (mit Regia-Farben, auf die ich jetzt lieber nicht eingehe. Aber Sockenwolle hält eben einige Kleinkindabenteuer aus):




Die Fotos sind nicht nah genug aufgenommen, aber es gibt auf jeden Fall Grund, ein bisschen puckering zu beanstanden. Nichts blöder, als wenn sich die Fäden so ineinander verziehen, dass das Muster nicht mehr richtig erkennbar ist.

Der nächste Versuch sollten Socken sein. Vor Verzweiflung noch vor der Ferse aufgetrennt.

Dritter Versuch: Socken für die Märchengruppe auf Ravelry.





Und was sagt uns das zweite Bild? Puckering - es ist zum aus der Haut fahren!

Mit dem zweiten Socken (rot auf schwarz) bin ich schon eher zufrieden, offensichtlich habe ich mich an die Grundregel des Jacquard-Strickens (nach Melissa Leapman) halten können:

"When stranding yarns, it is imperative to carry them loosely." (S. 25).

Ja ja, das klingt alles so einfach.

Letzter Versuch: Socken, bei denen der Faden nicht sehr weit transportiert werden muss.




Ersteres Foto hatte ich ja schon vor kurzem gepostet. Hier ist allerdings lediglich zu erkennen, dass das lila Garn ein wenig prominenter hervortritt. Ansonsten bin ich fast zufrieden.

Vielleicht ist das die Lösung? Keine großen Abstände, sodass man nichts einzuweben braucht?

Na, da hätte ich mir den ganzen Ärger sparen und stattdessen gleich bei der Grande Dame der Strickwelt nachlesen können:

"1. Be careful to use patterns that call for not more than five consecutive horizontal stitches of one color.
2. Avoid like the plague carrying more than two colors at once." (S. 57)

Aber bei der Fadenhaltung ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Regel dominant goes down (also das Garn, das näher an der Hand gehalten wird, zeigt sich deutlicher im Gestrick) funktioniert bei mir schon mal nicht (siehe Eintrag vom 23. April).

Außerdem will ich wirklich versuchen, diese verflixte Fadenhaltung zu lernen, bei der jede Hand einen Faden führt.
Noch geht es mir dabei wie der YarnHarlot (s.o.), aber das MUSS doch möglich sein!

Die Vorteile liegen auf der Hand: kein Verwechseln, kein Ineinanderwickeln der Fäden mehr. Außerdem sieht es cool aus! Wer kann das schon?

Ich leider noch nicht! Aber Elizabeth Zimmermann (auf S. 58) gibt mir Hoffnung:

"It is not nearly as difficult as it sounds." (Hoffentlich!!!) und
"It is always wonderful to acquire a new skill anyway." (Eben!)

Bis es soweit ist, bewundere ich all die kunstfertigen Jacquardstricker aus der Ferne und blättere mit vielen Seufzern in all den herrlichen Büchern, die es zu diesem Thema gibt.

Hauptsache, man hat noch Ziele im (Stricker)leben...