Mittwoch, 30. Juni 2021

Kapitel 160 - Vom Verschenken und Verpacken

Zuerst eine gute Nachricht: es gibt wieder Wolle zu bewundern. Stash hin oder her. Manchmal muss man sich einfach inspirieren lassen, wenn man in der Podcast-Welt über neues Garn stolpert. Ich habe also auch fleißig den Bestellknopf gedrückt, mich bei diversen Läden sogar neu angemeldet und durfte mich freuen, wenn die Sachen dann eingetrudelt sind.

Jetzt aber die schlechte Nachricht: nicht alles ist für mich, denn ich verschenke ja auch gern Sachen, also habe ich für meine Geschenke-Woll-Freundin auch Wolle bestellt.


Und natürlich ist das ja eigentlich gar keine schlechte Nachricht, sondern vielmehr eine gute, weil Verschenken ja Spaß macht.


Hier könnte ich jetzt sogar in eine kleine Fußnote abschweifen, in der ich ausführlich erkläre, dass mein Lieblingsjob tatsächlich Geschenkeberater wäre - falls es sowas überhaupt gibt - weil es mir un-glaub-lich Spaß macht, Sachen zu finden, die perfekt für jemanden passen und auf die derjenige (oder diejenige) selbst gar nicht gekommen wäre. Mein Meisterstück war mal eine sehr clevere und sehr helle und dünne Stabtaschenlampe, die ich meinem ständig mit Projekten beschäftigten Vater geschenkt habe und die dieser dann viel später sogar auf eine gemeinsame Reise mitbekommen hat, weil er gar nicht mehr ohne aus dem Haus geht. Erfolg? Na, also bitte, das war unglaublich cool.


Naja, das war natürlich zu Zeiten als Reisen noch möglich war und damit wir jetzt alle sentimental werden, schiebe ich gleich hinterher, dass dies eine Reise nach Leipzig gewesen ist, und zwar natürlich im Frühling. Wolle für mich und Babysitter/Stadttour für den Opa - was für ein Fest. Aber OK, OK, genug geseufzt.


Oder vielleicht doch noch nicht, denn jetzt kommt noch eine wirklich schlechte Nachricht. Meine liebe Woll-Freundin wohnt in England und daher hat mein Paket diese Reise noch gar nicht angetreten. Zu teuer und zu kompliziert.


Was ich aber eigentlich erzählen wollte, ist dies. Wolle für mich bestelle ich eigentlich eher bei großen Wollversendern, daher bin ich die Päckchen, die da kommen, gewohnt. Zum Beispiel dieses hier vom Opalabo. Kleine Box, Wolle drin und ich freue mich.



In dem Fall, um den es jetzt aber gehen soll, kam aber von der tollen Färberin BlackFlockFibres folgendes Paket an:




Man sieht also: die Wolle ist drin, sehr schön und sicher verpackt, worüber ich mich auch gefreut habe, aber schaut mal, was da alles noch so liegt: ein Teebeutel, Aufkleber, eine handgeschriebene Karte und watt weiß ich noch alles.


Dann habe ich mich daran erinnert, dass das ja auch immer von diversen Podcastern so 'gefeiert' wird (übrigens - diese Vokabel wäre ja auch mal einen eigenen Blogeintrag wert, die finde ich mindestens so seltsam wie das ewige 'spannend').


Also, was ich eigentlich sagen wollte - genau diese Extra-Verpackungsarbeit, die sich Miriam und Anna hier so hübsch und aufmerksam gemacht haben - ganz ehrlich - braucht man die wirklich?

Ich habe mich doch durch die Fotos geklickt und mich für diese Handfärberinnen entschieden, weil ich ihre Arbeit und Wolle toll finde. Das will ich ja doch eigentlich haben.


Und sie dann sozusagen durch sozialen Druck zu verpflichten, mir beim Auspacken auch noch ein Erlebnis zu bescheren? Das ist doch wirklich zu viel! Für dieses Erlebnis habe ich doch - bitte schön - selbst zu sorgen.


Und besonders amüsant finde ich die diversen Influencer und Influencerinnen, wenn sie dann auch noch begeistert von all den zusätzlichen Giveaways sind, die doch, wenn wir ehrlich sind, wirklich gar nicht nötig sind. Wer braucht denn das 150ste kleine Plastiknadelmaß oder noch eine Zopfnadel?


Und damit es dann so richtig albern wird, sind das häufig auch diejenigen Strickszenestars, die viel Zeit und Energie auf das Finden von möglichst biologischer, dem Schaf zartfühlend heruntergeschmeichelter, pflanzengefärbter Superwolle verwenden. Da passt doch der viele Verpackungsmüll und die vielen Extra-Plastiktütchen gar nicht dazu! Von der Extraarbeit, die wir unseren wunderbaren Färbern und Färberinnen aufhalsen, gar nicht zu reden.


Liebe Leute, beruhigt Euch, möchte ich da rufen. Es ist doch die Wolle, die wir toll finden und nicht die Verpackung.


Da lobe ich mir die österreichische Handfärberin, die mir auf einem Festival (ja, lang ist's her) die Wolle mal so verkauft hat:



Passt doch! Die Wolle ist geschützt, und es ist kein Extramaterial angefallen. Was wollen wir mehr?





Mittwoch, 23. Juni 2021

Kapitel 159 - Mein Shame-Shirt

Begonnen hat alles mit einem guten Vorsatz. Nicht zum ersten Mal und sicherlich auch nicht zum letzten Mal. Nebenbei bemerkt: schon das Wort 'Vorsatz' müsste den werten Leser bzw. die Leserin eigentlich stutzig machen. Da ist die Rutschpartie ins Chaos doch schon vorprogrammiert.

Aber kehren wir zu den Anfängen der Geschichte zurück.


Es ist Juni, also Pride Month, wie jeder aufmerksame Mensch auf diesem Planeten sicherlich weiß und gutheißt. Wie bereits im letzten Jahr veranstaltet die engagierte und freundliche Podcasterin Sissi den so genannten Regenbogen-Make-Along (Hinweis: Ravelry-Link), bei dem genau dieses Thema im Zentrum steht. Die Regenbogenfarben als Zeichen der Sichtbarkeit für eine diversifizierte und offene Gesellschaft sind das Thema, die Ausführung der Projekte bleibt jedem selbst überlassen.


Na, da will ich doch mal! Bereits letztes Jahr habe ich erfolgreich mitgemacht und hatte meinen bunten Spaß im Juni.

Dieses Mal ist ein Ringelshirt (Hinweis: Ravelry-Link) aus meiner langfristigen Projektplanungsliste raketenartig nach oben gerückt und sollte also sofort angeschlagen werden.


Und ganz gemäß meiner immer noch aktiven Stashbemühungen für 2021 habe ich natürlich Reste im Visier gehabt. Aber eben, wie der Zufall so freundlich wollte, hübsche Reste in bunten Farben.




Los geht's. Die gewählte Anleitung passt sogar in die ebenfalls von mir positiv begrüßte Knit-a-book-challenge, weil sich bei mir ja auch ein nicht geringer Bücher-Stash befindet.


Es läuft auch alles nach Plan. Maschenprobe und damit auch Festlegung der Streifenbreite klappten super. Richtige Größe ausgesucht und sofort angeschlagen.


Nach gut 2cm habe ich mir das Gestricksel mal locker um den Hals gelegt und dachte mir, das wird aber reichlich weit. Das rutscht ja von den Schultern. Also Kommando zurück. Aufgetrennt und neu angeschlagen, diesmal in einer kleineren Größe.


Nach weiteren 2cm habe ich mich entschlossen, doch schnell Kopien der Buchseiten anzufertigen, damit ich nicht immer mein Taschenbuch mit diversen Kaffeetassen in wackliger Position offenhalten muss. In diesem Zusammenhang gelingt es mir offensichtlich auch, einen richtigen Blick in die Anleitung zu werfen und was muss ich sehen? Entgegen meiner automatischen Annahme beginnt das Oberteil VON UNTEN und nicht etwa wie automatisch angenommen top down. Na, kein Wunder, dass die erste Version so weit gewesen ist. Und auch kein Wunder, dass die neue, kleinere Maschenzahl auf keinen Fall über meine hübschen aber stattlichen Hüften passen würde. Also nochmal aufgetrennt und wieder die ursprüngliche Maschenzahl angeschlagen.


Da geht es dann eine Woche lang voran. Von kleineren Ausrutschern wie dem Vergessen des Nadelwechsels direkt nach dem kraus rechten Bündchen und der nachfolgenden Flip-flap-Bewegung des Strickstücks nicht zu reden. Da habe ich einfach große Hoffnungen in das Thema Spannen und Dämpfen gelegt. Oder mir eingeredet.


Nach einer Woche und ungefähr der Hälfte der erforderlichen Länge vor der Passe ist Bestandsaufnahme angesagt.



Diese ergibt Folgendes:

  1. Das Flip-flap nervt.
  2. Ich verstricke Reste, d.h. der Wollvorrat ist begrenzt. In der Passe werden die Streifen sehr breit und ein Anstückeln in der Grundfarbe (weiß) sieht hier besonders blöd aus.
  3. Die von mir gewählte Maschenprobe ergibt als Pullover ein echt festes Gestrick, das sich u.U. nicht so toll eignet für hochsommerliche Temperaturen, wie sie gerade herrschen.


Also Kommando zurück. Neue Maschenprobe und neue Festlegung der richtigen Maschenzahl. Diesmal verzichte ich auch auf ein kraus rechtes Bündchen, sondern stricke stattdessen mein geliebtes Rippenbündchen. Hab ich auch erst gemerkt, nachdem ich mit größerer Nadel ein superlockeres und damit ätzendes Bündchen gestrickt hatte, aber was soll's, diesmal war's nur ein kleiner Umweg.


Los geht's also wieder.

Aber: um dieses Bündchen als Effekt einzusetzen und nicht wie eine Abbindeschnur in Rügenwalder-Teewurst-Manier muss ich zuerst mehr Maschen anschlagen und sie dann in der ersten Reihe des 'normalen Musters' wieder abnehmen. In der Anleitung wird allerdings in der ersten Reihe nach dem Bündchen bereits kräftig zugenommen. Dann beginne ich eben mit dieser endgültigen Maschenanzahl.

In diesem Plan steckt natürlich ein grober Denkfehler, aber wer findet den schon bei über 30°C im Schatten? Ich nicht!


Das heißt, ich beginne einfach einfach neu, und zwar mit größerer Nadel bereits fürs Bündchen. Das ursprüngliche Strickstück ist noch nicht wieder in seine Bestandteile zerlegt, weil ich zuerst testen will, ob mir das neue Gestrick wirklich lockerer und damit besser erscheint.


Nach ein paar Farbwechseln beginnt das innere Wollhühnchen wieder zu gackern. Reicht denn die Wolle wirklich? Hast du überhaupt ausgerechnet, ob bei der neuen Maschenprobe oben auch die richtige Farbe herauskommt (natürlich nicht). Die Passe ist ja schon wirklich breit, wäre denn top-down in so einem Fall nicht besser?


Es wurde laut in meinem Kopf und schließlich habe ich aufgegeben. 

Na gut, dann aber ein Raglan-Streifenshirt. Da komme ich mit der Anleitung von Thorsten Duit (Achtung: Ravelry-Link) gut zurecht und ich kann das Bündchen unten ja immer noch länger machen, sollten die Farben wirklich nicht reichen. Wenigstens kann ich aber dann in meiner Lieblingsfarbe oben anschlagen. Es soll ein V-Ausschnitt sein, da gibt es zwar einiges zu beachten, aber was soll's, los geht's endlich.


Schnell den Kragen ausgemessen, in den Raglan-Rechner eingegeben und ran.


Bei Farbe 3 - wir befinden uns mittlerweile in der dritten Juniwoche - stelle ich fest, dass Thorsten recht hat. Man muss tatsächlich aufpassen, dass einem der V-Ausschnitt nicht von der Schulter fällt. Wer hätte das gedacht???


Außerdem würde mein V-Ausschnitt bei dem Tempo meiner zögerlichen Zunahmen (jede dritte Hinreihe) locker bis zum Bauchnabel reichen und das wäre in meinem Alter und auch, wenn wir mal ehrlich sind, bei meiner Figur nicht so erstrebenswert. So breit kann das Bündchen da nicht mehr werden, um hier was zu retten.


Es kommt also, wie es kommen muss. Auch diese Version fliegt von den Nadeln und endlich meldet sich bei mir jemand Vernünftiges im Kopf. "Nimm mal ein Oberteil mit V-Ausschnitt, das passt", heißt es plötzlich, "und messe da den Halsausschnitt." Clevere Idee, denke ich mir. Gesagt getan. Und siehe da, statt 65cm kommt plötzlich nur 58cm heraus. Sitzt immer noch schön locker, aber eben nicht wie ein Carmenausschnitt gleich zu Beginn.


Und dann geht es plötzlich endlich richtig voran. Die Nadelstärke ist gut gewählt, die Farben machen Spaß und das Strickstück wird passen. Aber in diesem Juni wird es nicht mehr fertig. Shame on me!





P.S.: Na, wer hat mitgezählt? Ich bin in der siebten Runde und von Knitter's Pride kann nicht mehr die Rede sein. Aber für den ursprünglichen Zweck stricke ich es fertig. Das wäre ja gelacht!