Mittwoch, 14. Oktober 2020

Kapitel 155 - Die Lösung!

 Wenn man sich so durch die Strickwelt klickt in diesen Tagen, wird wieder mal deutlich, wie unterschiedlich wir doch alle sind. Ich habe ja schon berichtet, dass der Lockdown im Frühling bei mir nicht zu der vorher imaginierten Pulloverflut geführt hat, sondern ganz im Gegenteil mich wieder zu den gerade glücklich verlassenen Deckenfleckerln zurückgeschickt hat. Andere dagegen haben sich quasi selbst übertroffen und massenweise die ganze Familie eingekleidet.

Jetzt hat uns seit einer Weile - zumindest vorerst - der Alltag einigermaßen wieder und da habe ich gemerkt, dass wir so ungleich gar nicht sind. Das Hauptproblem teilen wir doch alle: woher soll die Strickzeit kommen, wenn so viel zu tun ist?

Dabei halte ich mich schon seit Jahren an die Yarnharlot-Regel und fange erst dann widerwillig mit der Hausarbeit an, wenn, wie sie es formuliert, die Katze am Küchenboden festzukleben beginnt. Ich habe gar keine Katze, aber Ihr versteht, was ich meine. Die Wäsche holt mich natürlich immer schneller wieder ein, aber so ist es eben.

Gleichzeitig beginnt natürlich im Herbst die Strickzeit in allen möglichen Medien und man wird geflutet mit den tollsten Anleitungen, die auf die Tapetenrolle wandern (müssen). OK, was also tun? Tja, da habe ich jetzt für mich über Umwege eine coole Lösung gefunden, die mich gerade total begeistert.

Aber der Reihe nach. Zunächst muss man nämlich wissen, dass ich für mein Leben gerne Sachen, von denen ich gelesen habe, ausprobiere. Ich habe schon (vor Corona-Zeiten) extra Urlaub in Thale (im Harz) gemacht, nur weil ich vorher einen tollen Roman von Fontane gelesen hatte, der im Hotel Zehnpfund in Thale spielt. Wir haben dann auch die Wanderungen gemacht, die Cécile und ihr Mann unternehmen und sind zum Forellen-Essen gegangen, weil das im Roman vorkommt. Es war großartig!

Genauso begeistert war ich, als ich bei meinem Metzger des Vertrauens entdeckt habe, dass Pastrami auch hier zu haben ist. Davon habe ich immer nur im Zusammenhang mit coolen Sandwiches aus New Yorker Delis gelesen. Musste ich natürlich gleich ausprobieren. Ist übrigens auch zu empfehlen.

Da verwundert es natürlich nicht, dass ich im Supermarkt folgende Packung kaufen musste, obwohl ich gar nicht wusste, was es eigentlich ist:


Warum hab ich es mitgenommen? Na, weil ich davon gelesen habe. Tapioka-Pudding gab es in meiner Geschichte, und das wollte ich natürlich ausprobieren.

Glücklicherweise ist man heute ja nicht allein, denn keines meiner Kochbücher konnte mir Auskunft geben, aber ein bisschen Geklicke hat geholfen. Man kann daraus einen Milchpudding kochen. Aber dafür, so wurde empfohlen, braucht man ein spezielles Kochgerät, denn sonst brennt alles gleich an. Und zwar dieses hier:


Das ist, wie ich herausgefunden habe, ein Slowcooker. Ein Kochgerät vor allem aus dem englischsprachigen Raum, das zum einen sehr günstig ist - meins hat nicht einmal €50,- gekostet - und zum anderen tatsächlich alleine vor sich hinschmurgeln kann, ohne dass man dabeistehen muss. Die perfekte Lösung also!!!

Ich bereite meinen Kochkram vor, und dann kann ich mich endlich den wesentlichen Dingen widmen. Und niemand aus der Familie kann sich über die ewige Brotzeit - aka kalte Küche beschweren. Haha!

Im Moment hat beispielsweise ein Geschenk für meinen kleinen Patensohn höchste Priorität, mit Stickerei und allem drum und dran:



Das ist die Anleitung Web Spinner (Achtung, das ist ein Ravelry-Link) - sieht super aus, dauert aber ewig. Alles egal, denn mein schlechtes Gewissen ist ein für allemal perdu. Es kommt was Warmes auf den Tisch und ich darf fröhlich weitermachen.

Und weil es so schön ist, habe ich gleich noch ein Projekt angeschlagen. Hier kann man mir nicht mal besondere Perfidie unterstellen, denn erstens, es handelt sich um superdicke Wolle, und zweitens: der Slowcooker läuft schon wieder. 


Ich bin begeistert!



Montag, 3. August 2020

Kapitel 154 - das Vokabelproblem

In letzter Zeit hat - so mein Eindruck - ein Trend in der Strickwelt überhand genommen, der mir zunehmend gegen den Strich geht, weshalb ich hiermit mal ein bisschen Stellung beziehen will.

Nun ist es ja nicht so, dass ich nicht schon mal was von 'Leben und Leben lassen' gehört hätte, aber: was man auch über mich wissen kann, ist

1) ich liebe Wörter, Wortspiele, schöne Formulierungen, etc. Ich schreibe mir sogar besonders gelungene Metaphern aus Büchern auf und zwar vor allem aus dem Hochgefühl heraus, dass hier jemand etwas auf eine Weise ausgedrückt hat, wie ich das selbst nie gekonnt hätte.
2) ich habe schon reihenweise Nächte mit dem Rotstift und einer Menge Papier verbracht, sodass ich mir über die Jahre eine gewisse Empfindlichkeit antrainiert habe.

Was insgesamt dazu führt, dass es mich tatsächlich nervt, wenn schon wieder einer der angesagten Podcaster, Blogger, Strick-Influencer meint, dass etwas "spannend" ist.

Liebe Leute, was habe ich mir da schon angehört:
Garn ist spannend
Farben sind spannend
Techniken sind spannend
Stricken ist spannend, usw. usw.

Was ist denn da auf einmal los??? Und es ist ja auch nicht nur einer, der davon spricht, nein, alle möglichen Leute haben offenbar keine anderen Vokabeln mehr, wenn sie aus dem Woll-Universum berichten.

Es ist ja nun auch nicht so, dass ich nicht gewisse Mode-Momente der Sprache mitgemacht hätte. Auch ich war mal ein Teenager, der alles Mögliche "süß" fand, was vielleicht gar nicht so ist. Aber ganz ehrlich, Teenager sind wir doch alle nicht mehr.

Daher weiß ich nicht, wie sich hier für mich zum einen das Bemühen um Jugendsprache anfühlt - was nicht alles schon "geil" gefunden worden ist, und das Wort ist nun wirklich mindestens 20 Jahre alt - und zum anderen diese etwas unglückliche Umwidmung eines eigentlich schönen Adjektivs.

Da rufe ich gerne in Erinnerung, was es in Wirklichkeit bedeuten sollte, nämlich das Aufweisen einer so genannten Spannungskurve, bei der man mitfiebern kann: z.B. in einem spannenden Roman, einem spannenden Film, einer spannenden Geschichte.

Aber ein "spannendes Garn"? Ernsthaft? Was soll das denn sein?

Also, um ehrlich zu sein, mich kann das nicht überzeugen.

Stattdessen schlage ich mal unverbindlich das Durchforsten eines Synonymenlexikons vor, dass hier u.U. ein bisschen Hilfestellung geben könnte.

Wie wäre es also damit:
Ein Garn ist: schön, weich, gut verzwirnt, flauschig, dick, dünn, griffig, elastisch, kratzig, ungewöhnlich zusammengesetzt, einheimischen Ursprungs, etc.
Eine Farbe ist: leuchtend, zart, schön, ungewöhnlich, modisch, changierend, glänzend, aus unterschiedlichen Nuancen zusammengesetzt, mit besonders gelungenem Farbverlauf, etc.
Eine Technik ist: kompliziert, einfach, überliefert, neu, interessant, entspannend, etc.

Außerdem entstehen ja jeden Tag neue Wörter, Sprache ist ständig im Fluss, vielleicht wird irgendwo gerade ein neues Wort für diverse Eigenheiten unseres geliebten Hobbys entwickelt. Oder es werden neue Methoden entwickelt, für die dann wiederum neue Wörter benötigt werden. Das wäre dann mal wirklich spannend!


Mittwoch, 8. Juli 2020

Kapitel 153 - vom Stricken in der Krise

Tja, wenn man sich so umsieht, dann könnte man fast glauben, dass es keine Krise mehr gibt, die Leute fahren ja sogar wieder nach Italien in den Urlaub.
Aber ich finde, so ist es ganz und gar nicht. Das böse C-Wort hat die Welt - und mich - voll im Griff.
Auch bei mir ist im März erstmal die Tür zur Arbeit zugegangen und alles ist auf das berühmte Homeoffice umgestellt worden. 

Super, dachte ich, da bist du in der Nähe der Wollschätze und kannst soviel stricken, wie das Herz begehrt. Pläne hatte ich natürlich zur Genüge.
Aber wie so oft - es kam ganz anders!

Zuerst einmal habe ich gemerkt, dass ich gar nicht stricken kann. Zumindest dann nicht, wenn es sich um etwas handelt, was wohlüberlegt sein will, wie z.B. ein Pullover.

Größe entscheiden, Nadel entscheiden, Änderungen entscheiden, das alles hat mich plötzlich völlig überfordert. Ich konnte mich vor Sorge um diverse Risikopatienten in meiner Familie überhaupt nicht konzentrieren. Und alle Nachrichten, die so eingetrudelt sind, waren alles andere als beruhigend. Was tun?

Da fiel mir etwas ein, was mir schon oft geholfen hat, nämlich ein kleines, überschaubares Projekt. Ein Viereck.

Ganz passend dazu haben Arne&Carlos ein Projekt namens 'Hug me later' herausgebracht, eine Jacquard-Decke, bei der sie wöchentlich ein Fleckchen veröffentlicht haben. Sehr gut, dachte ich, da kannst du gleich die Doubleface-Technik üben. Also habe mir ein bisschen Deckenwolle aka Acrylwolle von Stylecraft zurechtgelegt und mitgemacht. Es sind 30 Motive erschienen, aber in der dazugehörigen Facebook-Gruppe haben viele Leute weitere Ideen und Projekte gepostet. Eine große Decke wird mit ungefähr 96 Fleckchen angegeben, da habe ich also noch gut zu tun:


Einstweilen macht mir das Stricken Spaß, Doubleface geht langsam schneller und die Ideen gehen nicht aus. Vor allem die neu ausgedachten Motive der anderen Mitstricker sind wie eine Chronik der Ereignisse und damit mehr als eine neue Decke aus dem Jahr 2020. Sie sind eine wirkliche Memory Blanket.

Zum zweiten war schon lange eine Restedecke fällig. Begonnen im Februar, war jetzt die ideale Zeit, diese zu beenden. Da muss ich nicht viel nachdenken, das schaffe ich, dachte ich mir.

Wieder sprechen wir von Vierecken, diesmal gehäkelt, und zwar nach der einfachen und schönen Anleitung von Claudetta Crochet. Das ist ja meine Haus- und Hofanleitung für jegliche Granny Squares dieser Art und auch diesmal hat sie mich nicht enttäuscht.

Der Vorteil von Restedecken ist natürlich, dass man tatsächlich eine Menge von übrig gebliebenen Garnen nach Belieben hineinarbeiten kann und trotzdem sieht die Decke am Ende gut aus. Vorausgesetzt, man arbeitet mit einer Grundfarbe. In meinem Fall schwarz: 


Diese Decke war für eines meiner Mädels bestimmt. Man beachte - wenn dies auch nur schwer möglich ist - den Rand. Hier wurden kilometerweise eine uralte, ererbte, grüne Jackenwolle verarbeitet, die auf diese Weise noch eine sinnvolle Bestimmung erhalten hat.
Und wie das so ist bei Zwillingen, wollte die zweite der Damen natürlich auch eine Decke und Reste waren noch da:

Mein Fazit aus der Krise: offensichtlich kann ich bei übersichtlichen und einfachen Projekten am besten abschalten. Und wenn sich das viele Deckenstricken und -häkeln stupide anhört, so bleiben mir am Ende doch wenigstens ein paar Erinnerungsprojekte, die mich und meine Lieben in Zukunft warm halten können. Das ist eigentlich gar nicht so wenig, wenn man es recht bedenkt.

Sollten die Dinge aber so werden, wie sie heute schon aussehen, nämlich viel, viel besser als noch vor wenigen Monaten, dann kann ich mich immer noch zurück in die Herrlichkeiten des Pulloverstrickens stürzen. Die Maschenprobe ist schon gemacht:



Donnerstag, 23. April 2020

Kapitel 152 - Vom Vernähen

Seit ich stricke, begegnet mir ein Thema in der Strickwelt immer wieder: das Vernähen der Fäden. Es gibt kaum einen ernstzunehmenden Strickblogger, -podcaster oder -designer, der nicht ausführlich und immer wieder davon berichtet, wie sehr er oder sie es HASST Fäden zu vernähen.
Dieses Gefühl ist so stark, dass sogar verschiedene Rubriken erfunden werden, in denen man Fäden zählt und darüber jammert, in denen man sich mit Grausen abwendet, wenn man ein Strickstück auf links dreht, kurz, in dem man sowohl in Worten wie auch in zahlreichen  Gesten kundtut, dass man sich hier einer Materie nähert, die einfach nur das Letzte vom Letzten ist.

Das führt dann soweit, dass man sich nie, nie, nie überlegen würde, seine Reste z.B. für eine hübsche Decke zu verbrauchen, weil ja vor dem Ergebnis dies hier stünde:



Tatsächlich habe ich noch nie auch nur einen gesehen, der hier einen etwas entspannteren Umgang mit dem Thema an den Tag gelegt hätte. 

Nein, das ist nicht richtig, einen gibt es schon, und zwar Debbie Stoller, die in einem ihrer Stitch'n'Bitch-Bücher sogar davon gesprochen hat, dass sie diese letzte Phase eins Strickstücks sogar besonders liebe. Etwas fertigmachen, etwas hübsch machen und damit also eigentlich zur endgültigen Bestimmung führen.

Aber die meisten, denen ich so begegne - im Moment natürlich nur online - sind sich da einig, Fäden sind das Grauenhafteste, was man sich nur vorstellen kann und überhaupt völlig abzulehnen.
Und dazu wollte ich eigentlich schon immer mal zwei Sachen sagen, die mir selbst über die Jahre (und die vielen Decken) geholfen haben.

Erstens: man muss sich mal das Verhältnis ansehen. Wie lange strickt man einem Stück und wie lange dauert es, bis alle Fäden vernäht sind? Das steht in keinem Verhältnis!

Wenn ich an einer Decke wie der obigen viele Tage häkle und einfach nur meine Fleckerl sammle, dann habe ich am Ende 35 große Vierecke mit jeweils 12 Fäden zu vernähen. Manchmal sind es auch mehr, es sind ja Restedecken und manche Reste reichen nicht für die Rundenzahl, die dafür vorgesehen ist, dann muss man anstückeln. Aber: das ist erledigt an zwei, höchstens drei Abenden. Gemütlich vorm Fernseher oder Podcast. Einfach ein Faden nach dem anderen. Das Häkelvergnügen selbst hat viele Abende länger gedauert, da sind die paar Stunden im Verhältnis nichts und vergehen bei guter Unterhaltung sowieso schnell.

Zweitens: und deswegen wundert mich das Thema eigentlich so. Da muss man auch einfach mal seine großen Hosen anziehen: put your grown-up pants on, wie die Amerikaner sagen.

Es ist doch ganz einfach - entweder ich will eine große Restedecke, einen Fairisle-Pullover, ein Intarsienkunstwerk oder eben nicht. Und wenn ich das will, dann gibt es halt auch Fäden zu vernähen und dann muss ich damit leben. Aber das eine wollen und über das andere jammern, das geht mir nicht in den Kopf.

Und mal ganz ehrlich, in der Zeit, in der ich über die Fädenvernäherei jammere, da habe ich doch schon wieder einen vernäht.

Man kann natürlich auch vorbeugen und immer wieder einen Zwischenvernähtermin einschalten, dann werden die Stapel nicht so deutlich wie bei mir:



Aber das ist natürlich auch eine Typfrage. Ich selbst bin beim Stricken oder Häkeln immer so im Flow, dass ich ungern die Nadel aus der Hand lege, um dann nur ein einziges Stück zu vernähen. Ich bin eher für die Blockabfertigung. Aber wenn man anders drauf ist, dann kann das auch helfen. Lucy von Attic24 z.B. empfiehlt dringend, bei vielfarbigen Motiven, alles gleich zu vernähen.
Zu meiner Theorie über das Zeitverhältnis verweise ich mal kurz über ein neueres Video von Arne&Carlos. Arne häkelt in Echtzeit eine Häkelblume und vernäht dann die Enden. Die Blume dauert 23 Minuten, das Vernähen ganze 3 Minuten.

Also nicht verzagen, immer das Verhältnis im Kopf haben und mutig voran - es dauert ehrlich nur einen Bruchteil der Arbeitszeit vorher. Und ganz aktuell natürlich, wann, wenn nicht jetzt ist der ideale Zeitpunkt dafür? Viel Spaß!