Freitag, 2. August 2013

Neue Geschäftsidee?

Gestern war ich unterwegs und kam an diesem Laden vorbei:



Hier werden selbst gemachte, handgemachte und alte Sachen verkauft. Viele genähte Taschen und Täschchen und Babybodys. Viele Marmeladen und Seifen. Viele gehäkelte Boshi-Mützen und Babymützchen und -schühchen.

In einem Fach lag auch gestrickte Kinderkleidung. Trachtenjankerl fürs Oktoberfest (das übrigens schon aufgebaut wird) und im Fenster hing ein Paar Socken.

Ein Paar Glatt-rechts-Socken für € 22,-. Hey, dachte ich, wenn die Leute bereit sind, für ein Paar so genannter Stino-Socken € 22,- zu bezahlen, dann ist die Welt doch in Ordnung. Der Wert der Handarbeit usw.

Dann hab ich den Flyer des Ladens gesehen. Es gilt eine Provision von 50 % für alle im Laden verkauften Einzelstücke. Das heißt also, die Strickerin/der Stricker bekommen von den verkauften Socken € 11,-. Und dann hab ich zu rechnen begonnen:

Ein Paar Nadeln, ca. € 5,-, gute Sockenwolle, ca € 6,- sind zusammen schon die genannten elf. Die Zeit hat noch keiner gerechnet, aber selbst wer ultraschnell stricken kann, der braucht für solche Socken ein paar Stunden. Sagen wir mal 3-4. Ehrlich, ist es das wert?

Eine Recherche bei dawanda hat ergeben, dass ein Paar Socken tatsächlich für 9-12 Euro, bei komplizierteren Mustern sogar bis 25 Euro verkauft wird. Na, Letzteres verstehe ich ja noch, aber € 9,-? Ich weiß nicht.

Ich erinnere ich mich an meine geniale Kursleiterin in ihrem Volkshochschulkurs, die einfach alles konnte und alles wusste. Genau das hat sie auch angeprangert, und zwar immer anlässlich des örtlichen Christkindlmarktes, auf dem diverse Sozialdienste selbstgestrickte Socken verkaufen. Meist sind das etwas arg locker gestrickte, mit wenig attraktiver Wolle gearbeitete Riesensocken. Und zwar für maximal sieben Euro.

Wenn Handarbeit für wenig Geld verkauft wird, meinte Frau Pöllmann, dann ist sie den Leuten auch nichts wert. Aber, so offenbar die Antwort der verantwortlichen Christkindlstandbetreiber, mehr sind die Leute einfach nicht bereit zu zahlen!

Wirklich nicht?

Das sind doch die gleichen Leute, die ohne mit der Wimper zu zucken 500 Euro für ein Smartphone ausgeben und wer weiß wie viele Tausend Euro für ein Auto. Von Urlaub noch gar nicht zu reden. Aber ein Paar Socken, handgestrickt, Unikat, soll auf jeden Fall für weniger als 10 Euro zu haben sein? Das kann es doch nicht sein.

Über die Zeit hab ich ja gemerkt, dass ich mehr der Prozessstricker als der Produktstricker bin (obgleich ich lange dachte, es sei anders herum), aber mich für 7 Euro von meinen Socken trennen? Ich weiß nicht.

Dann doch lieber die eiserne Regel für Selbstgestricktes beachten und sie nur denjenigen schenken und für diejenigen anfertigen, die den Wert einer solchen Arbeit auch zu schätzen wissen. Und an keine anderen! Die sollen selbst zur Nadel greifen, wenn sie etwas wollen.

Ich glaube wirklich, dass man sich hier nicht dem so genannten 'Markt' unterordnen sollte, denn wenn man etwas unterpreisig verkauft, dann nehmen die Leute es auch als nichts Besonderes mehr wahr.

Schließlich aber können wir als Stricker etwas, was die Mehrheit der Leute eben nicht kann, und wir sind ja schließlich auch bereit, neidlos anzuerkennen, wenn jemand gut klettern kann beispielsweise, denn er hat dafür ja jahrelang geübt.

Ich finde, wir sollten diese Art von Respekt auch einfordern, denkt ihr nicht?

Ein bisschen auch als Respekt vor sich selbst und dem, was man da kann. Das kann auch heißen, dass man nur noch Material verarbeitet oder mit Zubehör arbeitet, das man gerne hat.

Ich selbst arbeite gerade an einer anderen Art von Respekt. Immer noch oder immer wieder an dem Respekt vor mir selbst als jemand, der seine Ufos unter Kontrolle hat. Aber Ravelry hilft, denn die Aufgabe für August lautet: "Free your needles", ein Aufbruch zu kollektiver Nadelbefreiung aka ein Beenden aller angeschlagenen Socken.

Das wäre ja ganz in Ordnung, wenn es nicht so viele wären ;-)




Sieben Paare. Traurig, aber wahr. Also dann: Frisch ins Getümmel gestürzt - Erfolge können hoffentlich bald vermeldet werden.






2 Kommentare:

  1. Ich habe derletzt fuer eine sehr gute Bekannte Socken gestrickt. Urspruenglich wollte sie mich dafuer bezahlen, aber bevor ich ihr vorrechne, was so ein Paar Socken eigentlich kostet (Material 8 Euro, Strickzeit 10 h a 10 Euro Stundenlohn (die Haelfte meines eigentlichen Stundenlohns), da ich ja in "unproduktiver" Zeit, also vor dem Fernseher oder im OPNV stricke, habe ich ihr vorgeschlagen, es doch gegen was "einzutauschen" ;-), da 108 Euro fuer ein Paar Socken ja doch ein bisschen unrealistisch ist....

    Meine Tante strickt Socken fuer den Weihnachtsbasar des Krankenhauses. Meist bunte Restesocken - aber ordentlich gestrickt, was anderes gibt es bei ihr nicht, oder aus guter Wolle. Damit will sie aber kein Geld verdienen.

    Die meisten Leute werden heutezutage kaum mehr einschaetzen koennen, wieviel Arbeit in etwas Handgemachtem steckt.

    Gruss
    Connie

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  2. Das Problem ist halt, dass die meisten Leute denken, eine Mütze sei in einer Stunde fertig, wenn es sehr viel wahrscheinlicher ist, dass man eine Woche dran sitzt (wenn man nur in den paar geklauten Minuten am Abend stricken kann).
    Genau deshalb denke ich, dass man auch beim Krankenhausbasar, also wenn man selbst kein Geld verdienen will, solche Preise haben sollte, dass die Menschen merken, welchen Wert handgestrickte Socken haben.
    Besonders dann, wenn sie ordentlich gestrickt sind ;-)

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