Dienstag, 8. April 2014

Kapitel 86 - in dem ich ratlos und fasziniert zugleich bin

Also ich lese noch ;-) das ist ja nun kein Geheimnis und außerdem bei den Strickern weit verbreitet, wie etwa Gruppen wie diese oder diese auf Ravelry beweisen. Noch bin ich nicht auf einen E-Reader umgestiegen (denke aber bereits drüber nach), aber die Möglichkeit beim Stricken problemlos zu lesen (und umzublättern) klingt schon großartig!

Jedenfalls bin ich auf Grund meiner Bücherbegeisterung immer wieder gerne auf Buchflohmärkten, vor allem dann, wenn es alles zum halben Preis gibt, so wie hier letztes Wochenende. Da ich überdies schon ein paar Bücher zu Hause habe, kann ich da eher entspannt die Kisten entlang schlendern und mal sehen, was so alles angeboten wird. Die Strickausbeute war diesmal ziemlich mager, aber ich hab einen Ordner mit Strickmustern gefunden, den hab ich dann doch mitgenommen. Aus dieser Reihe


(von denen übrigens einige gerade bei Booklooker zu haben sind), und zwar ein Ordner mit Strickmustern. Zwar völlig ohne Strickschrift, aber doch immerhin mit ein paar interessanten Ideen. Muster kann man ja nie genug haben.

Hauptsächlich war ich aber dort, um für die Damen einzukaufen. Da hab ich natürlich schon eine ganze Menge Bücher gesammelt, die ich unbedingt weiterempfehlen bzw. vorlesen will, aber man findet eben immer wieder etwas Tolles. Außerdem muss ich mich zusätzlich nach Erstlesebüchern umsehen, denn die Schule zeitigt Wirkung.

In einer Kiste für Junge Leser fiel alsdann schließlich mein Blick auf dieses Buch:



Totaler Erinnerungsflash!

Dazu muss ich sagen, dass ich ein paar Jahre auf eine Schule ging, die eine wun-der-ba-re Schulbibliothek hatte. Mit einem eigenen riesigen Glasschrank für jede Jahrgangsstufe. Und ich weiß noch, dass es in dem Glasschrank für eine höhere Jahrgangsstufe reihenweise Bücher dieser Autorin gab, die auch reihenweise ausgeliehen wurden.

Leider hat die Schule dann geschlossen und ich musste auf eine andere wechseln - bevor ich zum Berte Bratt-Schrank kam. Wie gemein!

Dann hab ich diese Autorin aus dem Blick verloren, oder andere Dinge waren wichtiger (z.B. das Stricken) und so kam es, dass ich überhaupt noch nie ein Buch von ihr gelesen habe. Und da für 50 Cent Abhilfe schaffen? Gerne.

Überdies hat mich das Buch interessiert, weil mich der Klappentext neugierig machte. Man lese und staune:


Verliebt und glücklich beginnen Anne und Jess in Salzburg,
der reizenden Mozartstadt, ihr gemeinsames Leben. Anne 
arbeitet, um ihrem Mann ein Studium zu ermöglichen. Und Jess'
Erfolge als Musiker sind für Anne die größte Belohnung.

Na, das klingt doch im Jahre 2014 als Mutter von zwei Mädels direkt nach einer Pflichtlektüre! Wie stark ist denn nun hier der pädagogische Zeigefinger erhoben, frage ich mich? Und wie gut ist Berte Bratt denn nun wirklich, von der immer alle Großen so geschwärmt haben?

Ich lese also darauf los und stolpere schon zu Beginn über einige Passagen:

Jess hatte sie feierlich zu seiner Privatsekretärin
ernannt, und sie erledigte seine
gesamte Korrespondenz (S. 18)

"Meinetwegen gern", sagte Anne fügsam (S. 19)

Dabei frage ich mich natürlich, ob ich nicht einfach zu empfindlich bin. Oder zu viel interpretiere? Ist das denn so schlimm, wenn man sich gegenseitig hilft? Heißt nicht das Buch 'Lebenskamerad'? Tja, ich weiß nicht.

Schließlich aber stellt sich heraus, dass es in dem Buch noch einen anderen interessanten Aspekt gibt:

"Ist es nicht komisch", meinte Anne. [...] wenn ich nur
ein kariertes Stück Papier vor mir liegen habe, dann kann 
ich immer ein Strickmuster entwerfen!" (S. 42)

Es ist also so, dass die weibliche Hauptfigur, eine Norwegerin, strickt. So gut strickt, dass sie einen Strickwettbewerb gewinnt mit einem Strickkleid aus "allerfeinster handgesponnener Wolle". Mein Interesse ist geweckt. Diese Anne geht aus Salzburg zurück nach Dänemark (zu den Schwiegereltern) und eröffnet einen Laden für "Norwegische Strickarbeiten". Und zwar nur in Naturfarben: schwarze Wolle von schwarzen Schafen und weiße Wolle von weißen Schafen.

Sie bietet an, Stricksachen auf Bestellung zu fertigen, sogar mit persönlichen Mustern, die sie für die Bestellung entwirft und sogleich vernichtet, damit ein Unikat entsteht. Leider ist von dem erwähnten Kleemuster keine Abbildung im Buch. Schade!

Schultern werden von Hand miteinander verbunden, nichts wird maschinengenäht, kein Steek gemacht, sondern es wird in Teilen gestrickt. Spannend!

'Läuse' bedeuten die vereinzelten Maschen, die über die 
ganze Jacke gestreut sind - schwarze Läuse auf Weiß oder 
weiße Läuse auf Schwarz (S. 91)

Ich durchforste mein Strickregal und blättere begeistert in diesen Schätzen:



Tatsächlich! Viel davon ist schwarz-weiß. Die Sachen sehen toll aus und auch die 'Läuse' sind weit verbreitet. Vor allem von diesem Tuch bin ich begeistert - das wandert bestimmt in meine Queue.

Da hat sich die Lektüre also doch gelohnt. 

Aber das dicke Ende kommt noch. Heldin Anne wird schwanger, der Mann beendet das Auslandssemester an der Hochschule, der Laden läuft prächtig und es naht die Gewissensentscheidung:

Sollte wirklich eine fremde, tüchtige, geübte Kinderschwester mit ihren unpersönlichen
und sachkundigen Händen das Kindchen besorgen? [...]
Niemals hatte eine Frau in Annes Familie ihr Kind einer Fremden überlassen. [...]
Zwar liebte Anne ihr Geschäft, die "Goldgrube" - aber hatte sie das Recht,
einen solchen Preis für das Gold zu bezahlen? [...]
Natürlich - wenn sie gezwungen gewesen wäre! Wenn Jess keinerlei Aussichten hätte,
etwas zu verdienen [...] dann wohl.  [...] Aber wenn  auch nur die leiseste Möglichkeit
vorhanden war, bei dem Kind zu bleiben und mit dem Kind zu leben,
dann mußte sie es tun, nahm sich Anne weiter selber ins Gebet. (S. 158f.)

Und den Leser gleich mit, so scheint mir! Das knirscht doch ein wenig in den Ohren, wenn hier die Frau auf Mutter und Ehefrau reduziert wird, auch wenn sie wunderbar stricken kann!

Von dem Wert der Kreativität an sich, nicht nur um Geld zu verdienen oder Preisgelder zu gewinnen, ist hier nicht die Rede. Das Stricken wird auch mehr als Fertigkeit hingenommen, die man in Norwegen eben einfach so erlernt und dann kann ('seit der Geburt', wie es an einer Stelle heißt) oder als singuläre Erscheinung, die eben einfach so zufällig bei Anne so ausgeprägt ist. Tja, ich weiß ja nicht...

Das Buch ist 1955 erschienen und auch wenn die Grundidee - Eheleute, die füreinander da sind, eben in erwähnter Kameradschaft - immer noch Bestand hat, so weiß ich doch nicht, ob man dies so undiskutiert auf die Jugend loslassen kann. Ein Glück also, dass ich's gelesen hab und bis es sich bei mir um Jugend im Hause handelt, da dauert es ja noch ein Weilchen.

Für das neuerliche Interesse an norwegischer Strickkunst allerdings bin ich sehr dankbar! Und überdies kann ich damit auch wieder bei der Monatsaufgabe der lesenden Minderheit teilnehmen. Lies ein Jugendbuch? Done!











3 Kommentare:

  1. Oh ja - das Buch (und andere Berte Bratt Bücher) habe ich in meiner Jugendzeit auch gelesen. Geschadet haben sie mir aber nicht - Töchterchen kam mit 6 Monaten in die Kita und ich bin wieder zur Arbeit ;-)

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  2. Jugendliche lesen anders als Erwachsene. Ich habe als Jugendliche auch Geschichten gelesen und geliebt, bei denen sich mir heutzutage die Nackenhaare aufstellen würden, dermaßen an den Haaren herbeigezogen sind die Geschichten. Aber klar, Erwachsene haben halt einen anderen Blickwinkel auf Bücher und ihren Inhalt als Jungendliche - sie haben ja auch viel mehr Lebenserfahrung.

    Berte Bratt habe ich nicht gelesen, aber ich war ein absoluter Fan von Enid Blyton, insbesondere "Hanni und Nanni". Und ob die sooo pädagogisch wertvoll waren, wage ich auch mal zu bezweifeln ;)

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    1. alle "Dolly"- Buecher von Enid Blyton habe ich auch verschlungen.

      allerdings habe ich dass dann mit Buechern von Christiane Noestlinger wieder ausgeglichen ;-) Aber die hatte auch etwas modernere Ansichten...

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