Sonntag, 2. November 2025

Kapitel 183 - Die spinnen, die...

Es ist ja schon viel darüber geschrieben worden, wie nachhaltig und auch kostengünstig Stricken eigentlich ist, wenn man jeweils den Preis für ein Knäuel mit der damit verbrachten Zeit gegenrechnet. Also nehmen wir z.B. ein teures Sockengarn, von mir aus mit Seide. Das kostet um die 16 Euro, aber ich verbringe damit eben fast eine Woche. Das heißt also, diese Woche Spaß ist durchaus günstig zu haben.


Zumindest, wenn man das mal mit den Preisen für diverse Erlebnisreisen oder Theater- und Restaurantbesuche vergleicht, die man in derselben Zeit unternehmen könnte, und die als ganz normale Freizeitgestaltung gelten. Selbst wenn ich mir also ein handgefärbtes Garn kaufe, das eher Richtung 25 Euro kostet, komme ich damit noch ganz gut weg.

Aber zuletzt scheinen mir die Dinge doch ein wenig aus dem Ruder zu laufen. Was ist los mit den vielen Podcastern, die so mir nichts dir nichts bergeweise Kaschmirwolle kaufen und verstricken? Sie sind natürlich vielfach gesponsert - was auch völlig in Ordnung ist - aber da bewegen sich doch plötzlich die Vorbildfiguren von ihrem Publikum weg, oder irre mich da? Ein handgestrickter Pullover, der einen reinen Materialwert von um die 250 Euro hat? Da muss man schon sehr aufpassen, dass es sich hier um ein Teil für viele, viele, viele Saisons handelt, damit sich das für einen Normalverdiener rechnet.

Und um genau diese Normalverdiener geht es mir eigentlich. Wo sind sie?

Stricken darf ein exklusives Hobby sein, und jeder soll und darf und muss sogar das stricken dürfen, was er oder sie möchte. Das ist ja gerade die große Freiheit, die wir alle so schätzen. Aber irgendwie habe ich zunehmend das Gefühl, dass die andere Seite, die sparsame Seite, die notwendigerweise auf ein Budget angewiesene Seite nicht oder viel zu wenig repräsentiert ist.

Es gibt zwar ein paar englischsprachige Podcasts, wie z.B. Ali makes everything, die immer dazusagt, was ihre Strickereien jeweils gekostet haben (und was ihr YT-Kanal einbringt), eben weil das wichtige Informationen für eine Vielzahl von Zuschauern ist. Und, geben wir's zu, wir alle auch ein wenig neugierig sind. Auch der Podcast The frugal knitter hat von Anfang an darauf wertgelegt zu betonen, dass dies auch ein Hobby für sparsame Leute sein kann.


In Deutschland ist mir das in diesem Ausmaß leider noch nicht untergekommen, außer vielleicht in diesem etwas vortragshaften Ton, der zuweilen bei dem Thema durchklingt: "Na klar, du kannst dir natürlich günstige Wolle kaufen, aber die ist halt dann voll von Plastik und bitte, wer will das schon?" Oder (eigentlich noch besser): "Also ich vertrage ja Plastikgarne überhaupt nicht. Aber wenn das etwas für dich ist...?"


Da sind wir doch wieder beim Thema schlechtes Gewissen und die schlechten vs. die guten Strickerinnen und Stricker. Das halte ich aber insgesamt für sehr fragwürdig und wenig gemeinschaftsfördernd. Denn von der großen und weiten Strickcommunity, die uns alle so wunderbar verbinden soll, ist ja doch auf der anderen Seite immer und überall die Rede. Wenn's dann aber drauf ankommt, wer jeweils teilnehmen kann an Events oder am Ausprobieren von Exklusivgarnen, dann scheint sich das Ganze auch schnell wieder aufzulösen und die finanziell unbelasteten Stricker und Strickerinnen bleiben lieber unter sich. Zumindest online.

Das ist doch sehr schade.


Vor allem, wenn wir doch alle von den Teuerungen der Welt im Allgemeinen betroffen sind. Das ist nämlich auch ein Teil der Wahrheit.

Als Beispiel zeige ich an dieser Stelle ein durchaus normales Garn, nämlich Knit by Numbers von John Arbon Textiles. Noch im Jahre 2019 haben 100g 9,99 £ gekostet. Für ein hochwertiges Garn aus einer kleinen Spinnerei ein durchaus akzeptabler, aber eben auch erschwinglicher Preis.




Dieses Garn ist heute auf der Webseite für 23,80 £ ausgewiesen - mehr als doppelt so viel.

Die Inhaber haben gewechselt, auch die Garnzusammensetzung hat sich ein wenig geändert, aber ich habe doch keine Gehaltserhöhung von über 100% im gleichen Zeitraum bekommen. Wie soll das funktionieren? Das ist doch erschreckend.


Genau aus diesem Grund würde ich mir daher mehr Akzeptanz für eine freie Garnauswahl wünschen, die die Leistung der Strickerin oder des Strickers und das fertige handgearbeitete Projekt in den Vordergrund stellen, statt immer zu betonen, dass man selber auf jeden Fall immer nur die wahren und echten Garne verstrickt.


Beim großen dänischen Garnhersteller sind sich ja auch alle einig, dass diese Garne - in egal welcher Zusammensetzung - toll und vor allem unschlagbar günstig sind.


Und endlich zum Schluss für alle, die auch echte Schafwolle verstricken, aber dies mit kleinem Geldbeutel versuchen wollen, empfehle ich an dieser Stelle kleine Spinnereien oder Garnhersteller, die wir durchaus auch in Deutschland haben, z.B. wollmeister.de, schafwolle-hoefer.de oder teppich-bernegger.de. Diese Wolle könnte sogar, auch da machen wir uns nichts vor, in ihrer Qualität noch etwas mehr kosten, aber freuen wir uns doch über ein tolles Angebot für alle Geldbeutel.

Wenn man jetzt noch einen Strang Souvenirgarn hat, den man sich tatsächlich mal auf einem Festival geleistet hat, dann kann ein toller Pullover daraus werden:



Mein aktuelles neues Projekt:



Garn von Teppich-Bernegger.de und quickstrick.com.


































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