Donnerstag, 18. September 2014

Kapitel 101 - von der Evolution

Bei mir beginnt das Jahr im September - gefühlt zumindest. Das war schon zu Schulzeiten so und ist es jetzt wieder, denn bei mir hat ja die Schule wieder angefangen, seit die Damen jeden Morgen pünktlich mit ihrem Ranzen davonspazieren.

Meine Projekte, meine Lektüre, einfach alles plane ich immer von Herbst bis Sommer. Der Urlaub ist das natürliche Ende meines Jahres, nicht ein paar Raketen an einem vernebelten, kalten Dezemberhimmel. Abgesehen davon, dass ich ja sowieso nie Raketen kaufe oder abschieße - ich seh' sie mir an und setze das Geld im Kopf in Wolle um - geht es nach einer Silvesterparty eigentlich weiter wie bisher.

Aber im Herbst! Da geht es los - da werden Pläne geschmiedet. Da werden gute Vorsätze gefasst (mehr Schreiben, mehr Sport, mehr Stricken). Da werden der Schreibtisch aufgeräumt und die Strickkörbe durchwühlt. Da wird der Stash neu sortiert bzw. es werden für die überzähligen Knäuel neue Boxen angeschafft. Da wird sogar darüber nachgedacht, endlich die Stash-Funktion auf Ravelry zu nützen. Ich sehe den Sinn, aber ich weiß auch, dass ich wahrscheinlich wirklich lang brauchen würde, bis ich alles einigermaßen sinnvoll eingegeben habe.

Aber mich überzeugt das schnelle Auffinden, wenn ich die Boxen endlich nummeriere und dann per Mausklick weiß, dass sich dieses Souvenirgarn aus Hay-on-Wye in der Box XY befindet:



Blaues Sockengarn mit kleinen Fitzelchen am Garn, handgefärbt (Ja, ich weiß, ich habe letztes Jahr schon so einen Strang gekauft, aber den hab ich verschenkt und ich wollte so gerne noch einen für mich haben).



Lace-Garn in Seide. Fühlt sich großartig an. Sowas hab ich noch nie verstrickt und will daraus ein tolles Tuch machen.

Ein Tuch? Moment mal, ich bin doch Sockenstricker und kein Tuchstricker.

Na, und das ist es eben. Ein Evolutionsschritt, den ich gerade an mir selbst beobachte. Ich fühle, wie ich mich als Stricker verändere. Das ist ein ähnliches Gefühl wie damals, als ich zum ersten Mal auswendig und ohne Blick ins Buch eine Ferse gestrickt habe. Endlich begriffen, dachte ich mir und gleich den zweiten Socken angeschlagen um den Kick noch einmal zu spüren.

Und jetzt bin ich offensichtlich drüber weg.

Als Erdbeerzeit war und ich ganze Nachmittage auf dem Erdbeerfeld und ganze Abende mit dem Marmeladekochen verbracht habe, war irgendwann ein Punkt erreicht, den eine englische Freundin strawberried out nannte. Ich hatte plötzlich genug vom Pflücken und Einkochen. Wenn Marmelade, dann bitte eine andere (es wurde Aprikose).

Genau das passiert mir jetzt wieder, denn ich bin unversehens in eine neue Phase der Stricksachen-Beendigung geraten. Ein seltsames Gefühl. Ich merke, dass ich um jeden Preis möglichst alle meiner aktuellen herumliegenden Projekte (die bei Ravelry vermerkten und die geheimen - ja, ich bin komisch!) möglichst sofort beenden will und stricke also ein Paar Socken nach dem anderen fertig, ohne ein neues anzuschlagen.

Meine Mickey-Maus-Socken für den Schwager, die seit Jahren auf die fehlende Stickarbeit gewartet haben: fertig.



Meine Rosen-Socken mit der gemusterten Sohle und den aufgestickten Blütenstempeln: fertig.



Meine Bofur-Socken, ein Reste- und Hobbitfanprojekt in einem: fertig.




Und bei all dem habe ich kein einziges neues Paar begonnen, obgleich das neue Jahr der Sock Challenges bei den Sock Knitters Anonymous schon längst begonnen hat (auch im September!). Der Wahnsinn.

Werde ich als Stricker also endlich erwachsen? Übernehme Verantwortung für meine zahllosen Ufos? Ist das die (R)Evolution?

Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass mir statt Socken eine ganze Reihe von anderen Sachen vorschweben. Tücher, Schals, und endlich Jacken.

Vor allem Jacken könnte ich wirklich gut gebrauchen und hab auch schon an die 200 mit Herzchen bedacht. Sogar Wolle hab ich eigentlich schon. Und ich hab Tina im Ohr, die mich schon einmal sehr lieb per Mail gecoacht hat, endlich damit anzufangen (Danke nochmal!).

Also dann nichts wie weiter an die Nadeln und mehr Ufos beendet. Mein Ziel sind alle bis auf das eine Paar für den öffentlichen Nahverkehr und das Wartezimmer. Ich fühle sogar, dass dies eine Befreiung sein könnte. Vielleicht bin ich socked out. Vielleicht ist es wirklich eine Evolution. Aber es fühlt sich jedenfalls gut an. Damit also ran an die nächsten:



Und die Sockenwolle aus dem Bild oben? Das Souvenir aus dem Urlaub? Das hab ich in meinem Kopf schon zu einem Tuch verarbeitet. Ich bin eine andere, glaubt es mir! ;-)

5 Kommentare:

  1. Herrlich!!!! Ich wünsch Dir viel Erfolg beim Evolutionieren und dann beim Erklimmen neuer Gipfel der Strickkunst! Aber denke nicht, dass Du damit alleine bist, bei mir geht das ähnlich, ich nenne es nur anders - Phasenstrickerei nämlich, gerade erst letzt blogmäßig in die Welt gekräht ;-) So eine Phase kann dann dann zwei Nuvems á 450 g SoWo hintereinander bedeuten oder wie letzt, zwei Neptunias mit fast den gleichen Gewichtsrelationen hintereinander. Aber dann bin ich "shawled out" und die nächste Phaste startet, derzeit Löcherpullis. Allerdings laufen in den meisten Phasen noch Stino-Ufos (speziell Decken) zum Entspannen nebenher (oder für besonders spannende Stellen in den Hörbüchern, bei denen ich mich gerne verzähle...).
    Also dann, ran an die Tücher, Du wirst sehen, das macht irre Spaß und ist ein Quantensprung, denn im Gegensatz zu den eher versteckten Socken trägt man sie ja stolz ganz offen durch die Gegend ;-)))
    Liebe Grüße
    Regina

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    1. Ach ja, der eigene Stash bei Ravelry - das hat was Erhebendes, man kann seine Schätze viel besser bewundern *ggg*. Ich find das toll und habe so nach und nach das meiste dort drin, vergesse allerdings oft, Neues gleich einzustellen, auch, weil ich es oft hamstermäßig sofort irgendwo vergrabe. Alles eine Frage der Gewohnheit ;-)
      R,

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    2. Ran an die Tücher soll also mein Wahlspruch sein, so sei's! Aber zuerst muss ich noch ein paar Ufos fertig machen (so lange ich noch so viel Lust dazu habe, denn das kommt selten genug vor. ;-) Aber dann!)

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  2. Dann wünsche ich viel Spaß mit dem neuen Strickerinnenleben! Jacken und Tücher brauchen leider etwas länger als Socken, und sind auch nicht ganz so portabel. Aber wenn man mal das erste Tuch oder die erste Jacke fertig hat, ist man so richtig stolz auf sich.

    Ich "brauch" ja auch noch mehr Pullis und Jacken - aber leider stricken sie sich nicht von selbst... Naja, die nächste Dienstreise steht schon an - Strickzeit im Zug und Flugzeug ;-)

    Nur die Tücher Stricke ich nicht für mich selbst, sondern immer nur für andere. Muss sich auch mal ändern...

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    1. Also das Letztere sehe ich ganz genau so ;-) Verschenken ist ja ganz nett, aber es ist ja schließlich auch dein Hobby (und dein Können vor allem!). Ich bin ja auch mehr ein Rechteck- denn ein Dreieckfreund bei Tüchern (zum Tragen meine ich), aber da gibt es von beidem sehr hübsche Sachen ;-)

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