Montag, 7. Oktober 2013

Kapitel 68 - in dem der Pullover-Fluch gebrochen werden soll

Ich hab's ja immer gewusst. Es gibt ihn. Den Pullover-Fluch. Und zwar z.B. hier, genannt sweater curse.

Damit ist der unglaubliche Umstand gemeint, dass alles Bemühen nichts nützt und man einfach keinen Pullover zustande bringt.

Mein Fluch geht ja schon sehr, sehr lange zurück. Es begab sich in den neunzehnhundertundachtziger Jahren als das Stricken einen nie dagewesenen Boom erlebte und ich auch strickte. In der Schule natürlich. Heimlich unter der Bank.

Da hab ich ein paar Pullover begonnen: einen mit Farbwechsel (Intarsia-Technik!) auf der Vorderseite, weil nach dem Rückenteil nicht mehr genügend Farbe übrig war. Daran hab ich eine ganze Weile genadelt. Unglaublich lange Rückreihen in links, weil ich das Garn glatt rechts verstricken wollte. Ein Junghans-Garn mit buntem Mitlauffaden, von dem heute noch dieses Mini-Knäuel übrig ist:



Es gab noch rot (mit Faden) und grau (mit Faden). Eigentlich hat mir das Gestrick ganz gut gefallen, es hat nur furchtbar lang gedauert!
Zu den Ärmeln bin ich dann gar nicht mehr gekommen. Ich glaube, das Ganze ist irgendwann im frog pond gelandet, neudeutsch: es wurde aufgetrennt.

Das Gleiche ist mit einem Argyle-Pullover passiert in den grauenhaften Farben orange und türkis. Aber ich war jung, hatte kein Geld und die Wolle war eben gerade zu Hause (meine Mutter war Junghansclub-Mitglied). Ich bin tapfer bis zur Mitte des Rückenteils gekommen, das Argylemuster sah gar nicht so schlecht aus, das müsste man noch einmal stricken.

Mittlerweile ist alles aufgetrennt und heute sehe ich das eher als Meditationsübung für einen grüblerischen Teenager. Was ja nicht das Schlechteste ist.

Der nächste Versuch wurde alsbald in Angriff genommen. Mit beiger Wolle.

Beige! Die Höllenfarbe der 80er. Ich glaube Beige ist die eine Farbe, die mir ü-b-e-r-haupt nicht steht, auch wenn ich sonst nicht sehr viel weiß über so genannte 'passende' Farben, sondern mehr über Farben, die mir selbst gefallen. Mit beige sehe ich jedenfalls aus wie Hefeteig. Breit, verquollen und farblos.

Ich weiß sogar noch, wo ich das Garn gekauft habe (den Laden gibt es noch) und denke mir immer, wenn mir dieser Pulli einfällt, dass man den Kunden solches Garn nicht verkaufen dürfte. Also wenn es ihnen so offensichtlich nicht steht wie mir, dann müsste man doch als pro-aktive Verkäuferin etwas Hilfestellung leisten, oder? Und nicht den Kunden sich in sein eigenes Hefeteig-Verderben stricken lassen.

Auch dieser Pulli war ein Kastenschnitt. Vorderseite rechteckig, Rückseite rechteckig mit kleinem Bogen für den Ausschnitt. Dann die Ärmel noch. Aber wie genau zunehmen? Den Rat, den ich mir von einer kundigen Mitstrickerin einholte, lautete folgendermaßen:

"Also ich mach das immer so: alle vier Reihen seitlich je eine zunehmen, das geht sich eigentlich immer aus."

Tja, so hab ich das dann auch gemacht. Nur waren offensichtlich meine Arme ein wenig länger, denn als ich fertig war, hatte ich zwei riesige Dreiecke gestrickt. Dann brav gespannt unter feuchten Tüchern, das immerhin hatte ich mir aus dem Handarbeitsunterricht gemerkt. Ansonsten aber hatte die Schule offensichtlich keine gute Wirkung auf mich, denn obwohl mich zwar langsam Zweifel befielen, ob denn nun dieser total weite Ärmel auch wirklich in das dafür vorgesehene Ärmelloch passen würde, wäre mir nicht eingefallen, dass ich selbst etwas daran hätte ändern können, und zwar mit ein bisschen Rechnen.

Stattdessen hab ich tief durchgeatmet und an einem ruhigen Nachmittag die Ärmel eingenäht. Mit wirklich beeindruckendem Faltenwurf, denn mittlerweile waren Jahre nach dem ersten Anschlag vergangen und dieser eine Pullover MUSSTE einfach mal fertig werden. Wenigstens EINER.

Er wurde fertig. Und wie. Alles eingenäht (den linken Ärmel mit ein wenig Gewalt, zugegeben), alles vernäht und dann anprobiert. Er passte schon irgendwie, so wie kastenförmige Riesenpullis eigentlich immer irgendwie passen. Außerdem war mir ja vorher klar, dass ich den ersten Pulli als etwas Warmes 'für Daheimrum' gestrickt hatte. Aber da hatte ich mir noch nicht vergegenwärtigt, dass ich mir ein beiges Walrosskostüm gestrickt hatte, komplett mit Flossen, die auf Grund des Faltenwurfs unter der Achsel dafür sorgten, dass meine Arme hübsch abstanden und somit zwar dekorativ, aber völlig unbrauchbar geworden waren.

Von Gelächter meines mittlerweile angeheirateten Mitbewohners ganz zu schweigen.

Das sollte mir so schnell nicht wieder passieren! Als ich mich nach  Jahren der Strickpause wieder auf dieses Hobby stürzte, machte ich um Pullover einen weiten Bogen. Sollten sich doch andere damit herumquälen. Mit mir nicht.

Ich hab mir ganz gemütlich die hübschen Bildchen von gelungenen Strickabenteuern in diversen Strickmagazinen angesehen und ansonsten schön die Finger davon gelassen. Nein, nein, keine Abenteuer mehr. Aber Socken stricken, das wollte ich jetzt mal endlich lernen.

Buch gekauft, gestrickt, gestrickt und voilà, mittlerweile kann ich sagen, Socken stricken sich von selbst. Alles ganz einfach: Ferse, Zwickel, Spitze, im Maschenstich schließen - Kinderkram.

Was ich damit eigentlich sagen will, ist, dass ich an den Socken selbst gemerkt habe, dass es offensichtlich eine Lernkurve gibt. Und wenn es eine Lernkurve für Socken gibt, dann *seufz*, gibt es diese sicherlich auch für Pullover.

Dann liegt es also nicht an mir, sondern daran, dass ich mich immer noch am unteren Ende dieser Lernkurve befinde. Dass ich mindestens 25 Pullis stricken muss, damit ich auf ein annäherndes Niveau komme. Und dass ich davon noch keinen einzigen begonnen habe!

Hier beginnt nun also das Jahr 2013. Das Jahr, in dem ich mir vorgenommen hatte, diese Kurve langsam zu erklimmen. Schließlich will ich den Pullover-Fluch endlich brechen.

Besser spät als nie.

Zunächst einmal: Problem erkannt, Problem gebannt:



Da liegt sie ja, die Herrlichkeit. Begonnen vor zwei Jahren in einem VHS-Kurs namens "Pullover ohne Nähte". Der Versuch, die Lernkurve zu erklimmen, geht also schon weiter zurück.

Was fehlt eigentlich noch? Der zweite Ärmel fertig. Die Blenden vorne sowie den Reißverschluss in diese Blenden nähen. Der Kragen. Das dürfte zu schaffen sein, wenn auch nicht alles heute.




Kaffee ist bereitgestellt:


Dann mal los. Zweiter Ärmel fertig. Jetzt fehlen nur noch die Blenden. Der vorschnell eingekaufte Reißverschluss macht mir ein wenig Sorgen, denn 1. er ist zu lang:




und 2. ich hab' nicht mehr so viel Wolle übrig (das Garn ist - unnötig das zu sagen in unserer so genannten 'schnelllebigen' Zeit -  vergriffen):



Aber für die Blenden müsste es eigentlich reichen. Jetzt will ich natürlich nur (soll ja nach was aussehen) doppelte Blenden stricken, das heißt auf jeder Seite zwei Blenden stricken, mal in die äußere, mal in die innere Hälfte der Randmaschen. Das schlägt zumindest meine Strickbibel vor. Dann kann man den Reißverschluss schön in die Mitte nähen und beide Seiten sehen sauber aus. Mal sehen.

Blende 1 fertig:



Und dann: schlägt das Leben zu und die Planung wird über den Haufen geworfen.

Aber ich gebe jetzt nicht auf. Dieser Pulli wird fertig. Im Oktober. Neuer Kaffee steht stand bereit:



Genaueres (Fertiges hoffentlich) demnächst. Versprochen.

3 Kommentare:

  1. Mein Tip zum Brechen des Pullover-Fluchs - mit einem Kinder- (oder noch besser Baby-) Pulli anfangen. Der geht so schnell zu stricken wie ein Paar Socken. Und wenn frau erstmal einen Pulli in klein gestrickt hat, dann ist der Fluch auch gebrochen ;-)

    Reissverschluesse koennen zur Not gekuerzt werden, oder frau kauft einfach einen neuen ;-)

    Wird schon - der Pulli wird Ende Oktober ausgefuehrt, da bin ich mir sicher.

    LG
    Connie

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hoffen wir's! Kinderpullis hab ich sogar schon gestrickt, da macht man sich weniger Sorgen, denn Kindern steht ja fast alles (oder sie wachsen irgendwie rein). Aber bei einem selber? Irgendwann muss es jetzt einfach klappen ;-)

      Löschen
  2. PS: Das Junghansgarn mit dem bunten Faden habe ich auch (von SchwiegerOma geerbt) - in Blau und Lila ;-)

    AntwortenLöschen