Samstag, 6. Oktober 2012

Masters of Ceremonies

Es gibt die guten Tagen, an denen strickt man so vor sich hin und erinnert sich, wie man angefangen hat mit diesem Hobby. Wie man sich mühsam Masche für Masche vorgekämpft hat, wie man aus leidvoller Erfahrung erst lernen musste, dass es für einen Anfänger höchst ungeschickt ist, wenn man die Reihe nicht zu Ende strickt, bevor man sein Strickzeug weglegt, weil man dann u.U. einfach von der falschen Seite aus weiterstrickt und erst viele Reihen später merkt, dass es da plötzlich ein seltsames Loch auf der Vorderseite gibt, dass so doch vorher noch nicht da war.

An solchen Tagen lacht man bei dieserlei Gedanken leise in sich hinein, während man in Ruhe und völlig entspannt ein schwieriges Lacemuster locker nadelt, da es einen recht logischen Mustersatz hat, den man sich schon längst hat merken können.

Und dann gibt es die anderen Tage, an denen man ein Pulloverbündchen von nicht weniger als 198 Maschen genau drei Mal wieder auftrennen muss, weil man beim berühmten "Be careful not to twist" nicht aufgepasst hat und dreimal hintereinander das gleiche Möbiusband gestrickt hat. Zweimal hat man sich sogar geschworen, dass man auf jeden Fall heute nicht mehr neu damit anfangen würde. Das kann schließlich keiner erwarten: abends um halb 11 noch 198 Maschen mit Nadelstärke 3 anzuschlagen!

An solchen Tagen fragt man sich, warum jemals irgendjemand das Hobby Stricken als entspannend beschrieben hat. Das Herzklopfen, das man verspürt, wenn man die Nadeln aus dem Strickzeug nehmen muss, um bis zu einem Fehler hin aufzuribbeln, ohne zu wissen, ob man die Maschen später alle wieder würde auffassen können. Vielleicht erwischt man einige gar nicht mehr? Und merkt auch das erst viel später? Der Ärger, wenn man merkt, wie verknickt und fusselig das ehemals so schöne Garn aussieht, wenn man aufgetrennt hat. Die Verzweiflung, wenn man sieht, dass einen die Maschenprobe betrogen hat und das Vorderteil keineswegs so knapp sitzen wird, wie man sich das vorgestellt (und ausgerechnet!) hatte.

Da denkt man anders über den Satz: "Stricken beruhigt die Nerven", der immerhin in der Strickbibel im Vorwort steht.

Zeit, sich Rat zu holen, sich in die Hände von hoffentlich kompetenteren Strickern zu begeben, bei denen man hoffentlich auch noch etwas lernen kann. Mit anderen Worten, Zeit für 



Dieses Jahr ist es nun so, dass meine Stricklehrerin der vergangenen Semester, bei der ich versucht habe, das nahtlose Pulloverstricken von oben zu erlernen, keinen Kurs anbietet und da musste ich also das Programmheft neu aufschlagen.

Gefunden habe ich Folgendes:



Einen Kurs, in dem man buchstäblich ALLES über das Stricken lernen kann (so die Ankündigung).

Ich hatte den Kursraum kaum betreten, da entpuppte sich die Leiterin binnen Sekunden tatsächlich als Expertin auf jedem nur möglichen Gebiet des Strickens!
Die Damen kannten sich (ich war offensichtlich die einzige Neue in der Runde), jede hatte ihr aktuelles Projekt mitgebracht und Mme Expertin sauste nun vom einen zum anderen: hatte Rat bezüglich des Garns, empfahl ein spezielles Muster, übersetzte die Anleitung, erklärte einen bestimmten Anschlag und rechnete die Ärmelabnahmen aus.

Dinge, für die ich langsam und schön der Reihe nach locker einen Monat gebraucht hätte, wurden in weniger als 10 Minuten abgehandelt.

Na gut, dachte ich, ich will auch etwas lernen, was ich noch nie zuvor versucht habe: Socken von unten, bzw. "von der Spitze aus", wie ich sogleich berichtigt wurde. In diesem Ton ging es weiter: "Bumerangferse bekannt?" und in kürzester Zeit hatte ich eine Anschlagsreihe und einen Strickauftrag für die nächsten Minuten, während die Expertin schon wieder zum nächsten Problem eilte und flugs ein paar Perlen für eine Stulpe auffädelte. Unglaublich! 

Es gibt ihn also wirklich, den Bund der Weisen, dem kein Problem zu kompliziert, dem keine Technik fremd ist und kein Design unlogisch erscheint.

Ich habe ein Mitglied kennen lernen dürfen!

Aber: Der Kurs hat sechs Abende, wie kann dieser erste jetzt noch getoppt werden?

Damit war die Woche aber noch nicht zu Ende: getreu dem einzig wahren Motto für das Stricken, habe ich mich dieses Semester gleich bei zwei Sportveranstaltungen angemeldet, und zwar: 



und



Naja, letzteren Kurs muss man nicht kommentieren. Wenn alle Mütter, die man so trifft, nur davon sprechen, wo und wie der beste Zumba-Kurs angeboten wird, kann man nicht die einzige bleiben, die keine Ahnung hat, worum es sich dabei handelt. Das war eher eine Verzweiflungsanmeldung.

Es stellte sich bei beiden Kursen aber heraus: die Leiterinnen waren die totalen Über-Ladies! Gertenschlank und fit im kompletten Wortsinn: drahtig, voller Energie und Spannung. Perfekte MOCs der Sparte "Gesundheit" in der Volkshochschule (mit T-Shirt "Zumba Instructor"!) Kein Wunder, dass beide Kurse ausgebucht sind.

Wenn mein Muskelkater nachlässt, werde ich darüber nachdenken, wieder hinzugehen...

Einstweilen habe ich schon mal den ersten Socken für den Knitalong von Sock Knitters Anonymous auf Ravelry angeschlagen:



Thema diesmal (u.a.): aus einem selbstmusternden Sockengarn durch die Wahl eines geeigneten Musters möglichst viel zu machen.

Meine Musterwahl fiel auf ein Modell in "Verena Spezial. In 80 Socken um die Welt Teil I". Das Modell hat einen scheußlichen Namen:



wird aber hier als Beispiel für Italien präsentiert, das kann zumindest etwas versöhnen.

Der Hammer kommt aber noch: für das Modell im Heft wurde zufällig das gleiche Garn verwendet, das ich aus meinem Wollvorrat ausgegraben habe:



Garn: Regia Design Line Kaffe Fassett Farbe: 04354. Das kann doch kein Zufall sein.

Ich bin der Master of Ceremonies des Musternachstrickens!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen